. ... Khatd bedeutet "Schrift" und Fan al Khatd ist die Schriftkunst bzw. Kalligraphie. (v. griechisch Καλλιγραφία (kalligraphia), κάλλος (kállos, Schönheit) bzw. καλός (kalós, schön, gut) und γράφειν (gráphein, schreiben) was die Kunst des „Schönschreibens“ von Hand, mit Federkiel, Pinsel, Tinte oder anderen Schreibutensilien bedeutet. Durch die Offenbarung Allahs - dem Qur'aan - hat die arabische Kalligraphie eine gänzlich andere Bedeutung als Kalligraphien verfallener Religionen; eigentlich kann nur die Verwendung von schöner Schrift verglichen werden und nicht auf was sie hinweist. Im Kontext einer noch nicht säkularisierten islamischen Gesellschaft, gepaart mit wirtschaftlichen Blüten, konnte eine umfangreiche und beeindruckende Entwicklung dieser Kunst phasenweise stattfinden, doch ist das auch ein Vorzeichen eines Niedergangs. Je nach Gebiet und Machtverteilung der islamischen Regenten entstanden Stile, welche an Bedeutung gewannen und diese wieder verloren. Die Stadt Kufa (Kufi) etwa, die zählte zu den wichtigsten Zentren dieser Kunst doch heute wird man kaum jemad finden, der diesen Schriftstil leicht lesen kann. .Beispiele früher Kalligraphien lassen sich in glanzvollen Bildbänden finden, doch sind diese Werke nicht unser Thema.
So die arabische Schrift hauptsächlich aus Strichen und Punkten besteht lässt sie sich
umfangreicher gestalten als andere Schriften und weil die
Kenntnis des Qur'aan ein Allgemeingut der Muslime ist,
müssen sie nicht erst lesen können was da verschlungen
geschrieben ist; vielmehr reicht zu wissen, dass es sich um die
Basmallah,
um ein bestimmtes
Aayah (Qur'aan-Vers) handelt. Die Eigenart von Symbolen
bzw. Buchstaben
ist es - im Gegensatz zu ein Portrait oder
Landschaftsbild - realistische Kunstwerke zu sein; jedes
Symbol ist in sich ein realistisches Kunstwerk, ob es nun
der Volksschüler schreibt oder geübte Kalligraph; der
Unterschied besteht nur in der Ausführung.
.
.
Krisentourisums 1981
Seifenhandlung in Aleppo
Islamische
Kalligraphie ist die Kunst, welche dafür bekannt ist,
Ajaat (Sätze) aus dem Qur'aan, Aussprüche des
Gesandten Allahs,
Dichtersprüche usf. möglichst ausdrucksvoll zu schreiben, wobei die
Basmallah wohl der am öftersten geschriebene
Spruch ist. Diese Kunst wird auch zur Dekoration auf
Buchkrücken, in der
Werbung, auf Visitkarten, als Geschäftsaufschrift usf.
benützt. Für den Gläubigen aber, ist Islamischer Kaligraphie
(nicht arabische) immer 'Ibadah" (Gottesverehrung)
und darin liegt der wesentliche Unterschied. So
wie ein
Ungläubiger die Schahadah im schönstem Arabisch
sprechen kann ohne dadurch Gläubiger zu werden, so könnte er
auch arabische Kalligraphie erlernen, doch wird es für ihn
keine Verehrung Allahs sein, so er nicht glaubt; er ist auf
Grund seiner Leugnung von der Realität der Schahaadah
ausgeschlossen und wird sagen, dies ist abstrakte Kunst.
Deshalb ist für den Muslime die Welt ein Gefängnis, für den
Ungläubigen aber das Paradies.
Kalligraphien sind oft Nachahmungen früherer Meisterwerke,
andere aber verdeutlichen eine
innere Zerrissenheit zwischen westlichem Einfluss und Islam,
so dass etwa den "Buchstaben" Palmen entwachsen oder
animiertes Geblinke auf Webseiten entsteht.
Solche neue Kalligraphien vermitteln, dass die
Wahrheit, welche durch die Schrift symbolisiert ist, nicht zu genügen
scheint; die Dekorationen sind nicht mehr Umgebung der
Schrift, sondern reduzieren deren Bedeutung.
Die Mehrheit der
Gefährten des Gesandten Allahs.
konnten weder schreiben noch lesen und die Kunst der
Kalligraphie war - in Zusammenhang mit der Offenbarung
nicht existent. Islamische Kalligraphie ist kein Symptom der
Blüte des Islam - wie gerne dargestellt - sondern eine
notwendige Erscheinung des Verfalls. Das betrifft nicht nur
die Kalligraphie, sondern generell islamische
Wissenschaften wie
Tafsiiru-l-Qur'aan (Qur'aanauslegung),
Fiqh (Rechtswissenschaft),
'Ilmu-l-Kalaam (
Rede),
Tassauwuf so wie Leistungen der
Architektur, Mathematik, Kriegsführung usf.., welche
allesamt zum
Erhalt des Islam für die gesamte
Ummah unumgänglich
wurden. Kalligraphie schwimmt auf dem Rücken der Islamischen
Wissenschaften. Für Muslime ist die künstlerische
Schriftgestaltung keine Grundlage des Glaubens sondern
vielmehr die schöne Erinnerung an die Wahrheit (Haqq)
im Verfall, welche immer wieder in einen anderen kulturellen
Kontext eingebettet wurde, so dass in einem Gebiet zu einer
gewissen Zeit die bunte Vielfalt und und dann wieder die
Nüchternheit den Stil beeinflusste. Meist wurde Kalligraphie
mit Tinte und breiter Feder auf Papier geschrieben wodurch
die bekannten Schriftzüge entstehen und es entwickelten sich
eigen Schulen welche die Abstände zwischen den Punkten und
die Länge und Breite der Linie regelten. Es bedurfte viel
Übung bis einer aus dem Handgelenk die perfekte Ästhetik
aufs Papier brachte und bis heute üben sich manche darin in
verschieden Stilen vergangener Epochen. Nimmt ein und der
selbe Kalligraph ein anders Instrument, etwa einen Pinsel
oder die Finger, so wird die Form des Schriftzugs durch die
Eigendynamik des Instruments beeinflusst wodurch auch
der davon untrennbare Inhalt in Licht eines anderen Aspekts
vermittelt wird. Anders als in der europäischen
Kunstgeschichte liegt die Bedeutung dieser Kunst kaum beim
Objekt sondern in der vermittelten Wahrheit, welche alle
Muslime anerkennen und nichts wird dabei thematisiert. Es
wird zwar auch mit Gold geschrieben, doch ist der
spirituelle Wert genauso in der Bleistiftschrift enthalten,
Während für einen Ungläubigen nur die Ästhetik des
Schriftzugs, die umgebenden Dekorationen, das Material
und eventuell der Text im Sinne von Orientalistik, so
durchdringt dem Muslime eine Erinnerung an die von ihm
anerkannte Wahrheit, selbst wenn er der arabischen Schrift
nicht kundig ist. Durchdringt aber der Ungläubige mit der
Gnade Allahs diese äußere Ästhetik und lässt sie durch bis
zu seinem Herz, so wird Muslim.
Wenn also ein Ungläubiger - für den Allah
den Islam vorgesehen hat - eine Kalligraphie betrachtet, so
kann es sein, das sich in seinem verstecktem Inneren -
entsprechend seiner Betrachtungsabsicht - ähnlich einem wunderbaren Duft, von dem man gerne wüsste
woher er kommt - etwas aktiviert wird, welches er dann
zu suchen beginnt. So ist es mir jedenfalls ergangen, als ich bei meiner
ersten Reise nach Asien in eine Mosche ging um dort
- unerwartet und gross auf die Wand geschrieben - dem Schriftzug "Allah"
gegenüberzustehen, ohne Kenntnis der arabischen
Zeichen oder des Islam. Dieses Erlebnis
hinterliess einen tiefen Eindruck, der mich bei zur
Suche nach der Duftquelle begleitete, bis ich
letztlich wiederum unerwartet, zehn Jahre später und einige hundert Kilometer
weiter, die
Schahaadah (das Islamische Glaubensbekenntnis) sprach.
Nicht
das Produzieren einer Kalligraphie die wahre Kunst
ist, sondern vielmehr das sich vorsichtige Annähern an die
darin zum Ausdruck gebrachte spirituelle Lebensqualität, sei
es nun durch den Künstler oder den Betrachter.
Nicht die Schriftsymbole der Kalligraphie sind abstrakt,
sondern das gemalte des Wahrnehmenden. Die Nachahmung
beseelter Schöpfung ist Täuschung - das an den Schöpfer
erinnernde Wort ist Wahrheit obwohl beides nur Tinte.
Sobald Islamische Kalligraphie aber als
Dekoration wahrgenommen wird, was durch Gewohnheit eintreten kann, wäre es für den Gläubigen besser, wenn er die Dekoration
(vormals Erinnerung an die Wahrheit) wieder von seiner Wand
herunternimmt
um nicht durch seinen dekorativen Blick oder seine
verschlampte Absicht spirituell Schaden zu nehmen. Oder
Händler, welche sich die "Basmallah" in ihr
Geschäftslokal gehängt haben um Erfolg zu haben obwohl sie
Ribaa (unrechte Vermehrung) betreiben und sich derart
mit der Basmallah verfluchen, ist es nicht richtig
sich an das Gesetz Allahs erinnernde Kalligraphien in den
Raum zu hängen, mdoch selbst Banken die von Ribaa
geradezu leben, drucken Kalligraphien auf Werbegeschenken. Für den Gläubigen ist das
Anbringen von Kalligraphie auf der Wand also eine heikle
Handlung, während Ungläubige nur die Kunst im säkularen Sinn
bewundern, ähnlich einem Reisebericht, ohne dabei dem
Berichteten selbst ausgesetzt zu sein, so ihr Problem a
priori im
Kufr (Leugnung der
Wahrheit) liegt und nicht im Umgang mit Kalligraphien.
Nachdem ich Muslim geworden
war, zeigte mir Allah auf Seine Weise, das eine Wende
gekommen ist und ich meine künstlerischen Tätigkeit
länger stilllegen musste, da ich das Studium des Islam
mir keine Zeit lies, bzw. mein Kunst zur Annäherung wurde.
Mit der Kalligraphie habe mich ab und zu kurz beschäftigt und
nannte diese Arbeiten "Khatt
an-Nimsaawiy, was etwa "Schrift im österreichischen Duktus"
bedeutet, was auf dass Eindringen des Islam in die
österreichischen Kunstgeschichte verweist
Für ungläubige Europäer (also Nichtmuslime
wie ich damals),
welche keinerlei arabische Schriftkenntnisse besitzen,
erscheint Kalligraphie unabhängig vom der Bedeutung des
Geschriebenen nur die
Form und Einordnung eventuell durch Kunstgeschichtliche Kenntnisse.
Immigranten aus muslimischen Gebieten
sind solche Überlegung fremd und empfinden nur ihr
importiertes Kulturerbe als Kunst, ob das in Massenproduktionen geschmückter Uhren oder
bedruckte Papyrusblätter usf., sind.
Die Ausläufer der klassischen
Kalligraphie reichten noch bis zum Einsetzen des
Säkularismus in den verschiedenen Islamischen Gebieten und auch heute
gibt es noch Kurse bei denen frühere Stile
nach genauen Regeln erlernt werden. Der
ursprüngliche Rang der Kalligraphie innerhalb der
muslimischen Gesellschaft ist längst verloren gegangen, doch
kommen um so mehr Drucksorten als Kalender, Kunstbücher usf.
als Massenware in den Handel und dann ins Recycling.
Muhammad Abu Bakr Müller |