Thron und Altar: Wie religiös sind unsere Politiker ?
von Oliver
Pink Ouelle: "Die Presse", Print-Ausgabe, 20.12.2009
Anmerkungen in [Klammern] und Bildeinfügungen von
Muhammad Müller.
Der Staat
und die Kirche: Von Faymann (katholisch) über Glawischnig (evangelisch) und
Korun (muslimisch) bis Sternfeld (jüdisch). Für Spitzenpolitiker mitunter
eine Gratwanderung zwischen Nähe und Distanz.
Werner
Faymann pflegt ein tägliches, religiös anmutendes Ritual: Jeden Morgen, wenn
er aufwacht, versucht er die Altlasten vom Vortag zu „löschen“, bewusst zu
„vergeben“, um unbelastet den neuen Tag zu beginnen. Seelenhygiene eines
Bundeskanzlers. Ein frommer Kirchgänger ist er nicht, auss
er an hohen
Festtagen und am 24.Dezember, dennoch gilt der rote Kanzler als religiös. Er
glaubt an Gott, der für ihn aber kein bestimmtes Wesen ist, sondern eher
eine Erscheinung wie die Sonne, von der man sich Kraft holen könne. Man
müsse aber nicht.
[Der Ausdruck
Politik wurde nach griechisch Πολιτικά
(politiká, die politischen Dinge) gebildet und bezeichnet die
Angelegenheiten, die die Polis, modern gesprochen: den Staat, das
Gemeinwesen, betreffen. Politik „bezeichnet jegliche Art der
Einflussnahme und Gestaltung sowie die Durchsetzung von Forderungen und
Zielen, sei es in privaten oder öffentlichen Bereichen.“ Es gibt dabei bis
heute keine Einigkeit darüber, ob Macht, Konflikt, Herrschaft, Ordnung oder
Friede die Hauptkategorie von Politik ausmachen....Wikipedia.]
Kirche und
Politik – ein heikles Verhältnis. Politiker sollen einerseits Distanz zu den
Kirchen halten, andererseits aber auch die Nähe zu diesen wahren. Die
Trennung von Staat und Religion ist eine Selbstverständlichkeit. Doch auch
in einer säkularen Gesellschaft haben Glaubensgemeinschaften Einfluss, auch
auf die Vertreter des Staates. Der „Kulturkampf“ von einst ist allerdings
Vergangenheit, Antiklerikalismus kein politisches Programm mehr. Selbst
Agnostiker wie Heinz Fischer rühmen sich ihrer guten Kontakte zu den
Religionsgemeinschaften.
[Im
Demokratismus íst es weitgehend belanglos, ob man sich als Atheist oder
Gottesverehrer wähnt; Alkohol trinkt oder nicht usw.. Nun, es geht hier
nicht um die namentlich erwähnten Politiker, sie dienen uns hier lediglich
als Mustermänner zur Verdeutlichung gewisser Aspekte im Demokratismus, bzw.
der demokratischen Religion, welche im Gewand verschiedener kultureller
Erbschaften auftritt. Möglicherweise ist der Demokratismus auch eine
Brücke, damit sich eine breite Masse (hier durch einige Politiker
symbolisiert), dem Islam anzunähren vernag, womit aber keineswegs die
Kriegsverbrechen im Namen der Demokratia entschuldigt werden dürfen. Wer
sich ein bisschen umsieht, der kann leicht feststellen, dass - parallel zum
Demokratismus - eine ganze Guruindustrie mit Mischungen aus traditionellen
Religionen und esoterischem Individualismus ein breites Bedürfnisfeld
abdeckt, welches aber nur im Kontext des Demokratismus funktionieren kann.]
Die ÖVP ist
weltanschaulich jene Partei, die dem Christentum, im Speziellen der
katholischen Lehre, am nächsten steht. „Es gab aber schon heidnischere
Zeiten bei uns“, erinnert sich Andreas Khol, der Spiritus Rector des
Katholizismus in der ÖVP. „Die katholische Renaissance hat unter Wolfgang
Schüssel eingesetzt.“ In der damaligen wie in der heutigen
ÖVP-Regierungsfraktion seien die praktizierenden Katholiken stark vertreten.
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Inquisitionsgericht unter
Vorsitz des Hl. Dominikus in einem Fantasiegemälde von Pedro
Berruguete, 1475. |
[Säkularismus
gilt heute standardmässig als Trennung von Kirche und Staat, doch wir meinen
hier die Trennung von Religion und Politik, da der Islam nichts mit
kirchlichen Strukturen zu tun hat, wenn gleich immer wieder versucht wird,
mittels der Vereinigung "Islamischen Glaubensgemeinschaft", Muslime in kirchliche Strukturen zu drängen, um
derart Ansprechpartner zu
haben, bzw. weil Christen Muslime, bzw. den Islam nur aus der Warte ihres
eigenen Zustandes beurteilen können.
Religion
umfasst aber alle Aspekte des Handelns und ist untrennbar von dem, was man
eben glaubt, für wahr haltet.
Säkulare "Politiker" aber müssen wohl auch sich selbst vortäuschen, als
könnten sie ohne das was sie
Glauben, Entscheidungen treffen. Mustermann glaubt z.B., dass Diebstahl
falsch -, Homosexualität richtig -, sich vor Statuen als Erinnerung an Gott
zu verbeugen richtig -, Minarette in Europa falsch, Biokost richtig, die
Trennung von Staat und Kirche wichtig ist und tausend andere Glaubensinhalte
mehr. Was immer
Mustermann in Summe glaubt, das ist seine Religion und solche
individuellen Mischungen bilden den gelebten Körper der demokratischen
Religion.]
Der
Parteichef selbst, der Weinviertler Bauernsohn Josef Pröll, ist traditionell
katholisch erzogen worden. Mit seiner Familie ist er heute in der Pfarre
Gersthof im 18. Wiener Gemeindebezirk aktiv, seine Kinder ministrieren dort.
Der ÖVP-Vizekanzler sieht auch sein politisches Handeln in jenen Werten
begründet, die durch den Glauben definiert seien: Verantwortung, Leistung,
Mitgefühl.
[Demokratie
ist längst nicht mehr ein Instrument im Kontext einer Religion wie einst in
Griechenland, sondern mutierte längst zu einer Religion. Wer das aber nicht
nachvollziehen kann, der möge doch als Hinweis die Menschen zählen, welche
der erfundenen Gottheit "Demokratia" laufend irgendwo in der Welt geopfert
werden; in Europa ist derzeit Opferverbot. Wer heute in Europa nicht
Demokratia verehrt, der riskiert - je nach Postion - in
kulturell-christlicher Tradition, eine Vorladung zur Inqusition. Also
übernommen aus der zeit, wo die römisch katholische Lehre noch nicht
musealisiert war; also Kirche und Staat noch nicht getrennt waren.]
Rational
versus irrational. Einen Widerspruch zwischen der „Rationalität“ der Politik
und der „Irrationalität“ von Religionen sieht Andreas Khol nicht: „In der
Politik geht es oft viel irrationaler zu.“ Khol selbst fand über die
katholische Soziallehre den Zugang zur Politik, durch die Lektüre des Buchs
„Vom Gestern ins Heute“ des katholischen Publizisten Friedrich Funder. „Ich
mache Politik aus christlicher Verantwortung“, sagt Khol. Die oberste
Instanz sei aber stets das eigene Gewissen. Der einst Ultramontane steht
seiner Kirche heute durchaus kritisch gegenüber. Er ist Teil jener
Laieninitiative, der auch Erhard Busek und Herbert Kohlmaier angehören, die
sich für die Abschaffung des Zölibats engagiert. „So gut habe ich mich mit
Busek und Kohlmaier früher nie verstanden wie jetzt aus Sorge um die
Kirche“, merkt Khol keck an.
[Mustermann
ist säkularer Politiker weil er was gutes für die Gesellschaft tun möchte
und er versucht, das was er richtig und wichtig glaubt, umzusetzen. Würde er
was anderes machen, wäre er Heuchler oder Spekulant.]
Jene Frau,
die Khol einmal „eine wunderschöne Marxistin“ nannte, die heutige
Grünenchefin Eva Glawischnig, ist evangelische Christin nach Augsburger
Bekenntnis. Ein naher Verwandter, Gerhard Glawischnig, war viele Jahre lang
Superintendent von Kärnten. Ihre Mutter ist Organistin in den
protestantischen Gemeinden Oberkärntens. Eva Glawischnigs Heimatort
Unterhaus oberhalb des Millstätter Sees gehört zu jenen Gegenden, in die die
mitunter unbarmherzige Gegenreformation nie vordringen konnte. Sie ist noch
heute Mitglied der Kirchengemeinde Unterhaus. Dort wurde sie auch getraut.
Ihr Mann, ATV-Moderator Volker Piesczek, ist ebenfalls seit jeher
evangelischen Glaubens.
[Säkularismus
ist eine wesentliche Glaubensdoktrin der demokratischen Religion (auch
Demokratismus), welche Muslim zwar kennen und beachten sollten, aber
keineswegs als wahr glauben. Rein sprachlich ist es möglich, dass da jemand
sagt: "Ich bin ein säkularer Muslim", doch inhaltlich ein absoluter
Widerspruch, es sei denn Islam wird mit Kultur verwechselt, so wie ein
bekennender Atheist durchaus mit seinen Kindern Weihnachten feiern kann ohne
dabei einen innerlichen Konflikt zu erleben, da sein Weihnachten längst zur
"Kultur" ohne verbindlichen Inhalt geworden ist.]
Ihre
Parteikollegin Alev Korun ist sunnitische Muslima. Allerdings, wie es sich
für die Urenkelin eines türkischen Parlamentariers zu Zeiten Kemal Atatürks,
der den Laizismus in der Türkei einführte, gehört, ist sie sehr säkular
eingestellt. Die Trennung von Religion und Staat ist ihr wichtig. „Religion
ist Privatsache“, sagt sie. Wann und wie oft einer bete, müsse jeder mit
sich selbst ausmachen.
[Das säkulare
Glaubensbekenntnis ist Kernstück des Demokratismus und reduziert Religion
zur privaten Ritualsammlung und Politik zu profaner Macht, Konflikt,
Herrschaft, Ordnung und Friede; also ein Konzept, das für Muslime
ausgeschlossen ist ohne sich damit von Islam zu entfernen, denn es handelt
sich umzwei verschiedene Religionen. Wer den sakralen Weg geht, als Muslim
ist, der weiss
dass Politik und Religion bis auf die Worte untrennbar sind.
Ähnlich dem hochkultivierten Höhlenmenschen des Plato - der nur die
profanen Schatten einer sakralen Realität erlebt - weiss
der Gläubige aber
durch den Qur'aan und bestimmt danach sein Handeln auch wenn er Politiker
ist. Islam ist verfassungsrechtlich zwar als Ritual erlaubt, der Muslim als
professioneller Politiker nicht befugt, solange er nicht das säkulare
Glaubebekenntnis spricht und Islam als Kultur deklariert.]
„Im
Alltagsleben spielt Religion aber kaum eine Rolle“, sagt Eva Glawischnig.
Prägend seien die engen familiären Bande zum Protestantismus, „wobei bei den
Grünen – viele kommen ja aus dem linkskatholischen Milieu – die katholische
Prägung schon sehr stark ist“. Wie sich das in der Praxis auswirkt?
Glawischnig schmunzelt, schweigt und leitet zum klassisch katholischen
Themenkomplex „Schuld und Sühne“ über. Als Schulkind habe sie es jedenfalls
als gross
en Vorteil empfunden, nicht beichten gehen zu müssen, erzählt die
Grünenchefin.
Moslem in
der SPÖ.
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Homosexuelle dürfen
heiraten – und sich leichter trennen. 25.10.2007
PHILIPP
AICHINGER (Die Presse)
Partnerschaft. Die
rot-schwarze Koalition ist sich einig, nun liegt auch der
Gesetzesentwurf von Ministerin Berger vor. |
Omar
al-Rawi, SPÖ-Gemeinderat im Wiener Landtag, betet fünfmal am Tag, nimmt,
so die Termine es zulassen, am Freitagsgebet in der Moschee teil, fastet am
Ramaḍaan, trinkt keinen Alkohol, isst kein Schweinefleisch, zahlt Armensteuer
(zweieinhalb Prozent vom Besitz) und war schon einmal auf Pilgerfahrt in
Mekka. Wie kommt ein gläubiger Moslem in eine traditionell antiklerikale
Partei wie die SPÖ? „Die SPÖ ist nicht komplett antiklerikal. Es gibt auch
viele praktizierende Christen“, meint al-Rawi. Entscheidend sei, dass sich
viele seiner Ansichten mit denen der Sozialdemokraten decken würden:
Solidarität, Hilfe für die Armen, Neutralität.
[Und
diejenigen (Homosexuelle Handlungen), die es von euch begehen,
strafet beide. Und so sie bereuen und sich bessern, so lasset ab von ihnen.
Siehe, Allah
ist vergebend und barmherzig (Qur'aan Sure 4, Vers 16). ..
Seit in der rot-schwarzen Koalition Einigkeit über die Schaffung eines
Partnermodells für Homosexuelle besteht, geht es Schlag auf Schlag: Nun ist
der Gesetzesvorschlag von Justizministerin Maria Berger (SPÖ) fertig. Der
„Presse“ liegt der Entwurf vor: Grundsätzlich ist der Text sehr stark am
Eherecht angelehnt. So wird die Lebenspartnerschaft wie die Ehe durch das
Ja-Wort auf dem Standesamt eingegangen. usf.
Die Presse 25.10.2007]
Juden
selten.
Politiker
jüdischen Glaubens sind in Österreich selten. Einer ist David Lasar,
Gemeinderat in Wien – ausgerechnet von der FPÖ. Schon sein Vater,
Generalsekretär der Likud-Fraktion in der Israelitischen Kultusgemeinde, war
Haider-Fan. Die Bürgernähe der Partei und die „verfehlte
Zuwanderungspolitik“ liess
en ihn selbst zum Freiheitlichen werden. Seinen
Sonderstatus als Jude in der FPÖ scheint Lasar durchaus zu geniessen.
Raphael
Sternfeld, Bezirksrat der SPÖ in Wien-Josefstadt, lebt sein Jüdischsein
nicht religiös, sondern „traditionell“ aus. Soll heissen: „Ich gehe an hohen
Festtagen wie Jom Kippur schon in die Synagoge. Im Sinne des Pflegens einer
Tradition, wo man sich dann auch mit Freunden trifft.“ Sternfeld hält es wie
Bruno Kreisky: Auch er sei Agnostiker, aber keinesfalls Atheist. Und so wie
Otto Bauer sei auch er zwar Mitglied der Kultusgemeinde, lebe aber bewusst
säkular.
["Religion"
wurde nach und nach musealisiert (bzw. kulturalisiert) und schwimmt wie ein Fisch in der
Formalinlösung; in den Volksschulen wird muslimischen Kindern Weihnachten
in Form von Adventveranstaltungen, Liedern, Christbäumen als "unsere Kultur" indoktriniert. Das
Kruzifix an der Wand jeder Schulkasse ist im Vergleich dazu noch harmlos. Im
deutschbuch steht: "Unsere Kirche" und die muslimischen Kinder müssen den
Satz fertigschreiben usf.]
Entwicklungsgeschichtlich war auch die FPÖ eine antiklerikale Partei. Schon
unter Jörg Haider, erst recht unter Heinz-Christian Strache, der schon gerne
mal mit dem Kreuz herumfuchtelt, hat sich das jedoch stark geändert. „Das
Kreuz ist das Symbol der christlichen Menschen, nicht der Kirche“,
relativiert Strache, der sich der Rettung des christlichen Abendlandes
verschrieben hat. Er sei selbst in katholischen Internaten aufgewachsen. Die
Firmung habe er aber erst im Juni dieses Jahres nachgeholt, da seine
Grosseltern seinerzeit schwer erkrankt waren. Er bete auch, sagt Strache.
„Für die Gesundheit und für die Familie.“
Uwe Scheuch,
Straches neuer Kärntner Spezi, ist übrigens – ganz im Sinne freiheitlicher
Tradition – ohne religiöses Bekenntnis.
[Für Christen und Juden verlieren in der Praxis ihr
Christ -, bzw. Jude sein nicht was auch immer sie für seltsame Überzeugungen
haben und auch Äussern, denn das Christ-sein wird durch die Taufe und Jude-sein
durch die angebliche Volkszugehörigkeit bestimmt (genaugenommen durch eine
ehemalige Anwesenheit am Berg Sinai...). Nicht selten lässt sich heute
bereits feststellen, dass bekennende Muslime
immer häufiger ihren Islam mit kulturellem
Erbe, arabischen Sprachkenntnissen oder ethnisch - nationaler Abstammung
verwechseln.]
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