Integration: Die bösen Moslems. Religiöse Fanatiker,
entmündigte Frauen & Töchter?
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21/06
141124.shtml
- von Edith Meinhart
[Dieser Bericht ist als
Sammlung gängiger Denkschemen und Phrasen wiedergegeben. Da die Integration von Einwanderern aus
muslimischen Gebieten jeweils mit
Überschreiten der Grenzbalken
stattgefunden
hat, sollte
der Leser "integrationsunwillig" als "assimilationsunwillig"
verstehen. Diese
"Assimilationsunwilligkeit"
manifestiert sich aber auch nur
selten mit
Islamischen Werten, sondern vielmehr durch geistige Anwesenheit im
Heimatland; also geistige Abwesenheit in Österreich. Der ganze Artikel ist
Beispiel für die katastrophale Mischung von Ungereimtheiten, wie sie ständig
in allen Medien auftaucht und insbesondere die Verwechslung von
"Ausländer" und "Islam". .... Bemerkung von Muhammad Müller]
.280_integrieren_assimilieren
Bis vor Kurzem pflegte die ÖVP den respektvollen
Dialog mit dem Islam. Dann änderte die Innenministerin den Tonfall.
Plötzlich sind die bösen Moslems ein Wahlkampfthema. Was ist dran an den
Vorurteilen?
Die Pressemeldung kam völlig aus dem Off. Am 5. Mai
warnte der Wiener Akademikerbund: „Islam – nicht integrierbar“ und
geisselte „Willkürherrschaft, Despotismus, geringschätzige Stellung der
Frau“. Zahlreiche Probleme, welche die Welt heute mit dem Islam habe,
seien „direkt im Koran und der gesamten Islamischen Tradition der
letzten 1400 Jahre begründet“, fuhr die VP-nahe Vereinigung fort. Mit
dem „zerstörerischen Phantasma einer multikulturellen Gesellschaft“
müsse nun Schluss sein.
Eine Woche später, Freitag vorvergangener Woche, klagte Innenministerin
Liese Prokop der „Tiroler Tageszeitung“ unter Berufung auf eine Studie,
45 Prozent der in Österreich lebenden Moslems wollten sich nicht
integrieren. Was die Ministerin mit der Bemerkung ergänzte: „Wer sich
nicht integriert, hat bei uns nichts zu suchen.“
Zwei Tage nach Prokops Zeitungsinterview griff Bundeskanzler Wolfgang
Schüssel (ÖVP) das Integrationsthema in seiner „Rede an die Nation“ auf:
Zuwanderer müssten die deutsche Sprache lernen und die österreichischen
Traditionen respektieren. Dazu gehöre die Gleichheit von Mann und Frau;
Zwangsehen und Ehrenmorde würden „beinhart verfolgt“.
Morgenland. In Kürze soll ein Buch des wegen seiner
Schmutzkübel-Kampagne gegen Thomas Klestil berüchtigten
Cartellverband-Bruders Ernst Hofbauer erscheinen, in dem dieser vor der
seiner Einschätzung nach „rasch wachsenden radikal-Islamistischen Szene“
in „Wiens Morgenland“ warnt (siehe Kasten Seite 24).
So viel Islam-Kritik aus ÖVP-Kreisen gab es noch nie. Bis vor Kurzem
hatte die Parteispitze das Verbindende über das Trennende gestellt: Am
Ostersonntag etwa war Nationalratspräsident Andreas Khol zu einer
Geburtstagsfeier für den Propheten Mohammed in die Stadthalle geeilt.
EU-Aussenkommissarin Benita Ferrero-Waldner betonte bei der Eröffnung der
Imame-Konferenz Anfang April die gemeinsamen Wurzeln der Religionen.
Kanzler Schüssel empfahl das Modell der friedvollen Partnerschaft
sogleich als „Exportartikel“. Aussenministerin Ursula Plassnik pries
Österreich als „Ort der Begegnung und des zukunftsorientierten
Gesprächs“.
Wie kam die Innenministerin darauf, fast jeder zweite in Österreich
lebende moslemische Zuwanderer pfeife auf Integration? Freitag
vergangener Woche, sieben Tage nachdem ihr Interview erschienen war,
reichte Prokop die dazugehörige Studie nach. Dass 45 Prozent der
zugewanderten Moslems Integration kategorisch ablehnen würden, liess sich
daraus nicht ableiten. Der Autor, der Erlanger Islam-Experte Mathias
Rohe, schätzt die Lage als entspannt ein: Österreich habe bei Problemen
nicht weggeschaut wie Grossbritannien, und seine Zuwanderer nicht in
Ghettoviertel abgedrängt wie Frankreich. Zwar stünden 45 Prozent der
Moslems der Mehrheitsbevölkerung reserviert gegenüber – aber sind sie
deswegen „integrationsunwillig“? Rohe: „Das Wort taucht so nicht auf.“
Aus gutem Grund. Die Wiener Soziologin Hildegard weiss
befragte tausend
Migranten zwischen 16 und 26 Jahren und stiess auf Aufstiegsblockaden,
Bildungsmängel und soziale Isolation. Eine ausgeprägte Unlust, sich zu
integrieren, sei ihr neu. Ähnlich urteilt die Grazer Theologin Inge
Strobl, die ihre Dissertation vor zehn Jahren dem Islam in Österreich
widmete und derzeit an einer Neuauflage ihrer sozialwissenschaftlichen
Analyse arbeitet. Ärgerlich an der Debatte findet sie vor allem, wie
religiöse, kulturelle und soziale Fragen vermischt werden.
Studienautor Rohe qualifizierte den Diskurs als „Angstdebatte“. Zwei
Drittel der Österreicher glauben, dass der Einfluss des Islam zunimmt;
fast ebenso viele finden diese Vorstellung bedrohlich. Konkrete Ängste
vor Radikalismus, Fanatismus und Fundamentalismus verschmelzen mit
diffusen Ängsten vor Überfremdung und dem Verlust von Freiheiten.
Zerrbilder. Als Wahlkampfthemen eignen sich Stereotypen und
Zerrbilder allemal: ein gewaltbereiter Patriarch, der seine Frau
entrechtet und Töchter unters Kopftuch zwingt; ein rückständiger
Antidemokrat, der seine Söhne in Ehrenfehden hetzt, westliche Werte mit
Inbrunst verachtet und nach dreissig Jahren im Land noch kaum Deutsch
spricht; ein fanatischer Anhänger Allahs, der kein Freitagsgebet
auslässt und unter dem Schutz der liberalen Gesellschaft an der
Errichtung des Gottesstaates arbeitet.
Laut einer Analyse von mediawatch im Auftrag des Innenministeriums
mutierte das „Ausländerthema“ zum „Moslemthema“ (siehe Grafik Seite 21).
Noch ist die Mehrheit der Österreicher überzeugt, Moslems hätten es
hierzulande besser als sonst wo. Fragt man diese selbst, fällt die
Zustimmungsrate niedriger aus: Immerhin die Hälfte der Bosnier und 40
Prozent der Türken sind der gleichen Meinung.
Dejan Petrovic, ein serbischer Kulturmanager, und Maximilian Hüler, ein
österreichischer Fotograf, erforschten für ihre Wanderausstellung „360
Grad“ den Alltag von Moslems. In London und Paris hätten sich viele
nicht einmal getraut, mit den Ausstellungsmachern zu reden. „In Wien
hatten wir dieses Problem nicht“, erzählt Petrovic: „Hier fühlen sich
Moslems anerkannt und sicher.“
Doch der Aufschrei – „Integriert euch!“ –, der seit dem 11. September
2001 durch Europa geht, erreichte auch Österreich. Habituell beschworen
die Spitzen der Republik den respektvollen Umgang der Religionen. Dabei
kam die Auseinandersetzung mit Problemen zu kurz, klagt
Integrationsexperte Hikmet Kayahan. „Wir brauchen einen Dialog auf
Augenhöhe“, fordert er. Denn, ja, es gebe Probleme. „Lasst uns reden.
Aber nicht in diesem diffamierenden Tonfall.“
Die 400.000 Moslems – vertreten von der Islamischen Glaubensgemeinschaft
– sind eine uneinheitliche Gruppe: „Der überwiegende Teil will in Ruuhhe
leben und ein paar Mal im Jahr in die Moschee gehen“, sagt der Wiener
Rechtsphilosoph Jürgen Wallner. Nur jeder Zehnte gilt als streng
religiös. Das Gros der Moslems – etwa 45 Prozent – ist türkischer
Herkunft, 30 Prozent stammen aus Ex-Jugoslawien. Ihre Identitäten sind
vielschichtig, die wenigsten wollen sich darauf reduzieren lassen,
Moslem zu sein.
„Ich werde immer mehr zur Moslemin. Was ich sonst alles bin –
Österreicherin, Türkin, Europäerin –, zählt das nichts?“, fragt die
Chefin des Wiener Migrantenberatungszentrums Peregrina, Gamze Ongan. Nun
werde Moslemin zu sein auch noch mit Integrationsunwilligkeit
gleichgesetzt. Dabei sind die Sprachkurse, die Peregrina anbietet, bis
auf den letzten Sessel ausgebucht. Was überhaupt ist mit Integration
gemeint?
Als Österreich in den sechziger Jahren Gastarbeiter anwarb, war das kein
Thema. Die Behörden achteten weder auf Ausbildungsniveau noch
Sprachkenntnisse. Viele, die damals ins Land kamen, haben in Österreich
Kinder, dann Enkel und schliess
lich einen Pass bekommen. Die Forderung
nach Integration tauchte erst später auf: Sie sollten ihre Mädchen auf
Schikurse schicken und aufhören, alle Grillplätze auf der Donauinsel zu
belegen. Verbindliche Kriterien für eine gelungene Eingliederung gab es
nicht. Verbittert fragt ein Türke: „Es heisst immer, wir sollen uns
integrieren. Aber wohin, verdammt?“
Zuwanderer stehen unter dem Generalverdacht, dazu einfach keine Lust zu
haben: Das Meinungsforschungsinstitut OGM fragte im Auftrag von profil,
welche Gruppen als integrationswillig gelten. 66 Prozent orten bei
Zuwanderern aus Ex-Jugoslawien Eingliederungswillen, aber nur 19 Prozent
bei türkischen Migranten (siehe Grafik Seite 17).
Letztere gelten als besonders anfällig für Abschottung. Im Nachhinein
ist nicht leicht festzustellen, was zuerst war: die Frustration über die
nicht gelungene Integration oder die Abschottung. Dass Konflikte im
Zusammenleben entstehen, ist unleugbar – und sie entstehen oft an den
gleichen Stellen: Der Sohn kommt von der Schule und erzählt, dass er vom
Basketballplatz geht, sobald „die Türken“ kommen. Lehrer klagen,
türkische Eltern kämen nicht zum Sprechtag. Sozialarbeiter berichten,
der permantene Druck, anständig zu sein, sich anzupassen, überfordere
die Migranten. Hinzu kämen Existenzangst, Probleme mit den Kindern und
die negative Berichterstattung in manchen Massenmedien.
Schuldzuweisung. Wenn Österreichs Schüler beim
PISA-Vergleichstest schlecht abschneiden, sind die Migranten schuld;
wenn den Migranten der Aufstieg nicht gelingt, liegt das nicht an einer
Jahrzehnte forcierten Gastarbeiterpolitik, sondern an ihrer
rückständigen Religion. Soziale Konfliktzonen werden zu religiösen
Aufmarschgebieten, das ärgert die Wiener Soziologin weiss
: „Integration
ist eine soziale Frage.“ Auf dem Weg in die Dienstleistungsgesellschaft
gingen gesundheitsgefährdende, schlecht bezahlte Jobs verloren. Die
türkischen Hilfsarbeiter traf der Strukturwandel doppelt. Ihre Söhne
schafften den Aufstieg auch nur zum Teil, ein Drittel blieb auf dem
Qualifikationsniveau ihrer Väter. Um sie machen sich
Integrationspolitiker jetzt Sorgen: Sie haben kaum Perspektiven am
Arbeitsmarkt, und es fehlt ihnen an Vorbildern. Nicht ausgeschlossen,
dass auf solchem Humus irgendwann religiöser Fanatismus gedeiht.
Integrationsunwilligkeit ist so etwas wie die subjektive Tatsache einer
gescheiterten Eingliederung. Jeder Mensch antwortet auf die Frage, ob
Zuwanderer die Sprache lernen sollten, mit Ja, konstatiert weiss
. Erst
bei der Religion scheiden sich die Geister. Für jeden zweiten
moslemischen Jugendlichen spielt sie eine wichtige Rolle. Bei den
Österreichern sagt das nicht einmal jeder zehnte. 46 Prozent der Moslems
wollen einen Ehepartner der gleichen Religion, bei den Nicht-Moslems
bestehen nur 16 Prozent darauf. Erfahrungen in klassischen
Einwanderungsländern zeigen, dass es mindestens drei Generationen
dauert, bis sich die Ethnien durch Heirat vermischen.
Kaum hatte Innenministerin Prokop ihre These von den 45 Prozent
Integrationsunwilligen lanciert, zog der freiheitliche EU-Abgeordnete
Andreas Mölzer den Schluss, da sehe man, wie weit die Entwicklung der
Parallelgesellschaft fortgeschritten sei. Anthropologen, die auf der
Suche danach ins Feld zogen, haben bisher keine „abgetrennten,
kulturellen Systeme gefunden“, berichtet die Wiener Forscherin Sabine
Strasser: „Der Begriff muss halt für jede Abschliessung herhalten.“
Klein-Istanbul. Gerade in Wien vermieden die Stadtentwickler
Wohnghettos. Anders als in Deutschland oder Holland, wo Tabuzonen für
Einheimische entstanden, wohnten die Gastarbeiter hier zwar in
Substandardwohnungen, aber Tür an Tür mit eingesessenen Wienern.
Stadtteile, die abzudriften drohten, wurden städteplanerisch
aufgewertet. Junge Wiener zogen etwa in Lofts rund um den von Türken
bevölkerten Brunnenmarkt.
Es entwickelte sich eine Infrastruktur für die spezifischen Bedürfnisse
der Migranten: Türken betreiben Lebensmittelläden, Reisebüros,
Kreditvermittlungen; konsultieren ihre eigenen Ärzte und leben in
Wohngrätzeln unter sich. Seit einem Jahrzehnt beobachtet der Wiener
Sozialarbeiter Bülent Öztoplu eine stärkere Hinwendung auf die eigene
Gruppe. „Die erste Generation kauft mit dem ersparten Geld dem Enkel
einen Döner-Stand, weil der keine Lehrstelle findet.“ Und dort kaufen
dann andere Türken ein – aus Solidarität, nicht weil ihnen McDonald’s
zuwider wäre.
Von einer Parallelgesellschaft würde die Soziologin weiss
reden, wenn zu
solchen Phänomenen weitere kommen: Wenn ein Jugendlicher nur in
türkische Vereine geht, streng traditionell erzogen wurde, ihm Religion
sehr wichtig ist, er nur türkische Medien konsumiert und Kontakte mit
Österreichern meidet. In ihrer Untersuchung trafen alle fünf Kriterien
nur auf 0,2 Prozent der Jugendlichen zu.
In den Familien festigen Rückzugstendenzen die patriarchalen Strukturen.
Gesellschaftliche Kränkungen werden durch Überhöhung der eigenen Werte
kompensiert: Das christliche Abendland mag uns schmähen, aber seht nur,
wie ihre Familien zugrunde gehen an Alkohol, Drogen und Einsamkeit.
Gewalt in den eigenen Reihen, Zwangsehen und Ehrenmorde werden dabei
oftmals ausgeblendet. Anfang Juni tritt ein Gesetz in Kraft, das
Zwangsehen zum Offizialdelikt macht. Experten rechnen mit einer
Sensiblisierung für das Thema, andererseits könnte es auch zu
Denunzierungen kommen. Nicht jede Türkin, die ihren Cousin heiratet,
wird dazu gezwungen.
Und nicht jede Moslemin, die ein Kopftuch trägt, macht das auf Geheiss
ihres Vaters. Seit einigen Jahren studieren vermehrt Mosleminnen, die
Kopftücher tragen. Gleichzeitig wird die traditionelle
Rollenzuschreibung gerade von Türkinnen abgelehnt. „Sie befreien sich
gerade“, konstatiert weiss
. Der Ausstieg aus dem Rollengefängnis gelingt
über die Bildung. Weit verbreitet, wenn auch empirisch nicht
nachweisbar, ist das Vorurteil, Moslems hätten ein verkorkstes
Verhältnis zur Demokratie. Integrationsexperte Kayahan fühlt sich bloss
von einem einzigen Präsidenten vertreten, und das ist nicht jener seiner
Glaubensgemeinschaft: „Mein Präsident heisst Heinz Fischer.“ Die Mehrheit
der Moslems denke wie er. Sollte irgend jemand von einem Gottesstaat
träumen – „hey, hallo, dagegen gibt es Gesetze“.
Der Islam ist in Österreich seit 1912 anerkannt. Die aktuell rund 350
Religionslehrer werden von der Glaubensgemeinschaft ausgesucht, aber vom
österreichischen Staat bezahlt. Unterrichtssprache ist Deutsch, nur an
konfessionellen Privatschulen darf auch in Arabisch gelehrt werden. Das
Modell habe sich bewährt, sagt Rechtsphilosoph Wallner, „weil hier
Transparenz herrscht“.
Im Unterschied zu den Moscheen. Die meisten gelten als liberal, einige
jedoch werden vom Verfassungsschutz beobachtet. Die Anwesenheit von
„Hasspredigern“ wurde von der Glaubensgemeinschaft bestätigt. Der
Integrationsbeauftragte und SPÖ-Gemeinderat Omer al-Rawi nannte fünf
Moscheen, in denen radikale Prediger auftreten würden. Auf die Auswahl
solcher Imame habe aber die Glaubensgemeinschaft keinerlei Einfluss. Was
so nicht stimmt. So deckte profil im Jahr 2002 auf (profil 9/02), dass
ein Angehöriger der „Hisb-al Tahrir“-Bewegung, die in Zentralasien für
Terroranschläge verantwortlich gemacht wird, in Wien die radikale
Zeitschrift „Explizit“ herausgab.
Der Herausgeber war für die Auswahl von Islamischen Religionslehrern
verantwortlich.
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