Wiener
Moschee + Euro Islam; eine konstruierte Realität + ein zu hinterfragender Wunsch.
Artikel aus der
Stuttgarter Zeitung vom 23.09.2000
Wo gottesfürchtige,
staatstragende und völkerverbindende Reden gehalten - nein, es dachte
sich jeder seinen profanen Teil dazu. Bruno Kreisky saß da, der österreichische
Bundeskanzler, der Jude, der sich als Vermittler im Nahost-Konflikt einen
Namen machen wollte. An ihn waren die in Wien vertretenen arabischen Staaten
herangetreten, ob er nicht der wachsenden Zahl von Moslems in Österreich
etwas Gutes tun wolle. Kreisky wollte. Aber tun sollte es ein anderer. Jener,
Leopold Gratz, Bürgermeister von Wien und sozialistischer Parteigenosse des
"Sonnenkönigs'', war gar nicht glücklich über die Order, die ihm da übermittelt
wurde. Zwar sonnte sich Gratz im Lichte des frisch erbauten UN-Zentrums, durch
das seine Stadt einer der drei Sitze der Vereinten Nationen und Begegnungsstätte
für Politiker aus aller Welt wurde - aber für eine Moschee hatte er nichts
übrig. Entgegen den Vorschlägen seiner Stadtplaner, die etwas Repräsentatives,
Edles, Eingegliedertes haben wollten, wies Gratz ein entferntes Grundstück
an, das unmittelbar zwischen der Autobahn und der Schrebergartenkolonie Am
Bruckhaufen liegt - und für das die Stadt keinen einzigen Schilling
verschwenden musste: Man hatte es den Chorherren vom Stift Klosterneuburg
abgenommen mit der Erklärung, man brauche es für einen Erholungspark.
"Die Patres waren stinksauer, als das Grundstück in Bauland umgewandelt
wurde'', erinnert sich Klaus Steiner vom Stadtplanungsamt. "Sie wollten
wenigstens die Wertsteigerung ersetzt bekommen. Aber das ging nicht durch.''
Im Jahr 1968 wurde der Grundstein gelegt; Botschafter acht Islamischer Staaten
taten es Hand in Hand - dann passierte neun Jahre lang nichts mehr. Keiner
wollte bezahlen. Erst als sich der saudiarabische König erbarmte, ging es
voran. Die Ausschreibung gewann Richard Lugner, dessen Lastwagen bis heute mit
dem Werbeslogan "Wir bauen nicht nur Moscheen'' durch Wien kurven.
"Widerstände gegen den Bau gab es damals nicht'', sagt Klaus Steiner,
"aber bis heute fehlt der Moschee jede städtebauliche, gestalterische,
emotionelle Einbindung. Sie wird abgelehnt wie eine Frau mit Kopftuch.'' Sie
gilt seltsamerweise auch in der moslemischen Gemeinde als Fremdkörper, obwohl
sie sich "Islamisches Zentrum'' nennt. Seit der Einweihung ist die Zahl
der Moslems in Österreich von 70000 auf 300000 gestiegen; die Gemeinde ist so
heterogen, wie es die Herkunftsländer sind. Und so sind unzählige nach außen
unauffällige Gebetsräume in Fabriken und Wohnhäusern entstanden. Die
Moschee dagegen mit ihrem 32 Meter hohen Minarett, von dem der Muezzin auf Drängen
der Kleingärtner nur noch freitags rufen darf, ist eine eher politische
Einrichtung geworden. Zu ihrer Gemeinde zählen vor allem
Botschafter bei UN, Opec oder OECD und ihr Personal. Dass der eigentliche
Gottesdienst-Trakt der Moschee den kleineren Teil des Bauwerks ausmacht, dass
vor dem größeren, dem Bürotrakt, oft sehr feudale Diplomatenautos stehen,
erweckt bei den Schrebergärtnern hinterm Zaun die Vermutung, dass da
"noch andere Dinge gedreht werden''. Dass die Moschee tatsächlich auch
ein Treffpunkt für Diplomaten ist, bestreitet Fareed Alkhotani vom
Islamischen Zentrum nicht, aber was soll schlecht daran sein? Die Moslems, die
im praktischen Leben mit dem Staat zusammenarbeiten, gehen einen eigenen Weg.
Anas Schaqfeh, der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich,
hält sich lieber vom politischen Einfluss Islamischer, arabischer Regierungen
fern, um seine Idee der kulturellen Eingliederung oder einer Umformung des
Islams in Europa zu verwirklichen. Der Islam der Wiener Moschee ist für Leute
wie ihn ein bewahrender Islam der Herkunftsländer, kein Islam der
Auseinandersetzung mit Österreich. Dem "Heimatgefühl'', das die Moschee
vermitteln will, setzt Schaqfeh die Zukunftstauglichkeit eines "europäischen''
Islams entgegen. Klaus Steiner, im Stadtplanungsamt für
"Sonderaufgaben'' zuständig, schließt nicht aus, dass bei weiter
wachsender Zahl von Moslems auch deren Begehren nach einer zweiten Moschee
wachsen wird: "Aber ich wage gar nicht daran zu denken, was die Wiener FPÖ
heute zu so einem Plan sagen würde. Das unter dem Kreisky damals, das war
schon ein Glücksfall.''
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