Aus dem österreichischen Staatssicherheitsbericht 1997
http://www.bmi.gv.at/Staatspolizei/Staatsschutz/uebersicht.html
Bosnier
Die bosnischen
Moslems sind die eindeutigen Verlierer des Balkankonfliktes. Es besteht
die Gefahr, dass sich unzufriedene und radikale Elemente letzten Endes
zu extremistischen Vereinigungen zusammenfinden. Problematisch erscheint
weiters die Präsenz von einigen hundert Islamischen Extremisten auf den
Kriegsschauplätzen. Sie könnten versuchen von Bosnien aus in andere
Staaten auszureisen und würden dann ein nicht zu unterschätzendes
Sicherheitsrisiko darstellen.
2.4 Türkisch-Islamischer
Extremismus
Neben vielen türkisch-Islamischen
Gruppen, die nicht extremistisch sind, gibt es auch Organisationen, die
unterschiedlich eingeschätzt werden.
Die "Milli Görös"
beispielsweise ist das europäische Sammelbecken von Anhängern der türkischen
Parlamentspartei "Refah-Partei" von Necmettin Erbakan, die im
Jänner 1998 in der Türkei wegen Islamisch fundamentalistischer Tätigkeit.
verboten wurde. Die
"Milli Görös" hat bei den deutschen Verfassungsschutzbehörden
derzeit sehr hohe Priorität. In Österreich trat sie bislang nicht
extremistisch in Erscheinung.
Eine eindeutige
extremistische Organisation ist der ICCB - "Verband der Islamischen
Vereine und Gemeinden Köln". Vorbild dieser Gruppierung ist der
Iran. Kompromisslos wird auf die Weltherrschaft des Islam gezielt. Im
Verlauf von Machtkämpfen innerhalb des ICCB kam es im Mai 1997 zu einem
Mord in Deutschland. Weitere Straftaten dürften im Zusammenhang mit der
Organisation stehen, die in Österreich nicht vertreten ist. Daneben
gibt es eine Anzahl terroristischer Splittergruppen, die bislang
ausschliess
lich in der Türkei tätig waren und hauptsächlich Anschläge
gegen Verfechter des Laizismus oder Andersgläubige ausführten.
3.
Islamischer Extremismus
Die Situation in
der Islamischen Welt und die sukzessive Ausbreitung des Islamischen
Extremismus erfordert eine intensive Beobachtung dieser Entwicklung. Wie
verschiedene Vorfälle zeigten, richtet sich die Bedrohung nicht nur
gegen Regierungen moslemischer Staaten sondern auch gegen die westliche
Welt. Daher stellt ein Teilbereich der Aufgaben der österreichischen
Staatsschutzbehörden die Beobachtung und Bekämpfung
Islamisch-extremistischer und terroristischer Gruppierungen dar. Diese
Gruppen haben ihren Ursprung vorwiegend in den arabischen Staaten, sind
aber weltweit verbreitet, wobei Österreich nicht ausgenommen ist.
Einen massgeblichen
Einfluss in dieser Hinsicht haben einige Islamische Staaten. Sie
propagieren die Weltherrschaft des Islam oder zumindest die
panIslamische Idee und bedienen sich zur Durchsetzung ihrer Ziele
Islamischer Terrororganisationen.
Der Islam wird oft
mit Extremismus und Terrorismus gleichgesetzt. Um diese Problematik
besser einschätzen zu können, ist es notwendig eine Differenzierung
zwischen der Religion Islam, dem Islamischen Fundamentalismus und dem
Islamischen Extremismus zu treffen.
3.1
Definitionen
3.1.1
Islam als Religion
Der Islam zählt
neben dem Christen- und dem Judentum zu den drei gross
en
monotheistischen Religionen. Schätzungen zufolge bekennen sich derzeit
mehr als 1 Milliarde Menschen zu dieser Religion. Der Islam
unterscheidet im wesentlichen eine sunnitische und eine schiitische
Glaubensrichtung, wobei die Sunniten mit ca. 90 % der Gläubigen die
Hauptströmung bilden. Das Schwergewicht der Verbreitung liegt im
afrikanischen und asiatischen Raum. Durch Zuwanderung leben in nahezu
allen Staaten der Welt - zum Teil starke - moslemische Minderheiten.
Im Zuge seiner
historischen Entwicklung entstanden verschiedene Zivilisationen mit
unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Formen. Dadurch
bildet die Islamische Welt weder religiös noch politisch eine Einheit.
Da eine Trennung von Religion und Politik im Islam weder dogmatisch noch
begrifflich vorgesehen ist, kann für die Moslems die Verwirklichung
ihrer religiösen Pflichten letztlich nur in einem
Islamisch-gesellschaftlichen und politischen System liegen.
3.1.2
Islamischer Fundamentalismus
Der
Fundamentalismus ist ein weltweites Phänomen, das sich auch in anderen
Religionen wiederfindet. Ursprünglich stammt dieser Begriff aus der
christlichen Theologie, dennoch wird er heute in erster Linie mit dem
Islam assoziiert. Der Islamische Fundamentalismus kann als die
Umwandlung der Religion Islam in eine Ideologie verstanden werden.
Gemeint wird damit der Versuch einer Theologie und Lebensführung, die
sich streng an die empfundenen Fundamente der Religion halten will in
der Hoffnung und subjektiven Gewissheit, dass eine solche Lebensführung
eine bessere Grundlage des öffentlichen Lebens für den Einzelnen und
seine Gemeinschaft bringe. Im Vordergrund stehen die religiösen Fragen,
erst in zweiter Linie wird auf die politische Forderung des Islam
eingegangen.
Der Begriff
Islamischer Fundamentalismus wird von Medien, Behörden und sonstigen
Organisationen oft sehr unterschiedlich verwendet, was zu Missverständnissen
führen kann. Die Bandbreite reicht dabei von der Religion Islam bis zum
Islamischen Extremismus. Das gleiche gilt auch für den Begriff
IslamISMUS.
3.1.3
Islamischer Extremismus
Der Islamische
Extremismus ist die radikale Form des Islamischen Fundamentalismus. Er
ist gekennzeichnet durch die Gewaltbereitschaft ihrer Anhänger.
Den Nährboden für
Islamische Extremisten bilden die von der Bevölkerung als untragbar
empfundenen Zustände im sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen
Bereich, vor allem in Regionen der Islamischen Welt mit überproportional
vertretener junger Generation. Es existiert keine weltweit einheitliche
Islamisch-extremistische Bewegung, sondern nur eine gemeinsame
Ideologie, die in den verschiedenen Gruppierungen ihre eigene
Interpretation findet und vor allem von den sozialen und
glaubensorientierten Umständen in den jeweiligen Staaten geprägt wird.
Unter
"Islamischem Extremismus" wird daher die Tätigkeit von
Gruppen und Organisationen verstanden, die die Verbreitung des Islams
mit gewaltsamen Mitteln betreiben oder zumindest bereit sind, zur
Verwirklichung ihrer Ziele Straftaten zu begehen.
3.2
Zielsetzung
Ziele der
Islamischen Fundamentalisten und der Islamischen Extremisten sind
· die Errichtung
Islamischer Staaten unter Rückbesinnung auf den Koran und der
Islamischen Rechtsordnung (Scharia),
· die Etablierung
einer gross
en Gemeinschaft der Gläubigen (Umma) ohne Rücksicht auf
Staatsgrenzen sowie
· die Schaffung
einer Einheit von Staat und Religion nach dem Vorbild des Iran.
Über die
Verwirklichung dieser Ziele gibt es unterschiedliche Auffassungen.
Die
Fundamentalisten vertreten den Standpunkt, dass dies auf gewaltfreiem
Wege erreicht werden kann. Sie rechnen mit einer schrittweisen Reform in
allen Bereichen der Gesellschaft, vor allem in den Bereichen
Gesetzgebung, Erziehung, öffentliches Leben und Wirtschaft.
Im Gegensatz dazu
stehen die Extremisten, die auf gewaltsame revolutionäre Art, unter
Anwendung terroristischer Gewalt, die Gründung Islamischer Staaten
erreichen wollen.
3.2
Situation in Österreich
In Österreich
leben derzeit etwa zwischen 200.000 und 300.000 Menschen mit Islamischem
Glaubensbekenntnis (vorwiegend Sunniten), die meisten davon in Wien. Es
sind Flüchtlinge, Gastarbeiter oder Studenten, vorwiegend aus dem
ehemaligen moslemischen Teil Jugoslawiens, der Türkei und Nordafrikas.
Durch diesen Bevölkerungszuwachs ist der Islam nach der katholischen
und evangelischen Kirche die drittgröss
te anerkannte
Religionsgemeinschaft des Landes. Im Jahr 1979 wurde das Islam-Gesetz
1912 geändert und der Islam als Religionsgemeinschaft in Österreich
gesetzlich anerkannt. Seit 1983 wird auch ein Islamischer
Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen abgehalten. Die
Verantwortung darüber obliegt der Islamischen Glaubensgemeinschaft.
Der überwiegende
Teil der Moslems ist Anhänger eines gemässigten Islam und verhält
sich gemäss den österreichischen Gesetzen. Im Vergleich mit anderen
europäischen Staaten gibt es in Österreich derzeit nur eine geringe
Zahl an Extremisten, die aber nicht unterschätzt werden darf. Dieser
Personenkreis forciert die Verbreitung fundamentalistischen
Gedankengutes mittels Flugblättern, Tonbandkassetten, Videos sowie
durch aggressive Predigten. Um gröss
ere Menschenmengen anzusprechen,
sind bevorzugte Orte in erster Linie zahlreiche Gebetshäuser in Österreich.
In einigen dieser Einrichtungen wurden derartige Aktivitäten
wahrgenommen. Auch in verschiedenen Islamischen Vereinen war bereits
eine Radikalisierung festzustellen. Zu gewalttätigen Aktionen ist es in
Österreich in den letzten Jahren nicht gekommen, kann aber für die
Zukunft nicht ausgeschlossen werden.
Während des
Balkankonflikts kam Österreich wegen seiner geographischen Lage eine
besondere Bedeutung zu. Es lagen Informationen vor, wonach sich
extremistische Kreise oft in der Unterstützung ihrer Glaubensbrüder in
Bosnien-Herzegowina engagierten, dabei ihre internationalen Verbindungen
zu Organisationen nützten und Unterstützungsvereine gründeten. In
diesem Zusammenhang traten besonders die internationalen Islamischen
Hilfsorganisationen, wie die von Saudi-Arabien geförderten AL-HARAMAIN
Islamic Foundation und International Islamic Relief Organization
(IIRO), sowie die vom Sudan unterstützte Third World Relief
Agency (TWRA) in Erscheinung. Mit Hilfe dieser Organisationen sollen
während der Kriegshandlungen auch Mudschaheddins mit Erfahrungen im
Afghanistan-Krieg durch Österreich in die Krisengebiete von Bosnien
geschleust worden sein.
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