Selbstdarstellung
der "Islamischen
Glaubensgemeinschaft in Österreich" durch Prof.Anas Schakfeh (
Präsident seit 1421 / 2000) vom 20.10.1999
Der Islam ist keine
Ideologie, sondern basiert auf sozialer, wirtschaftlicher und religiöser Ordnung.
(A. Abdelrahimsai / früherer Präsident der Islamischen Glaubnesgemeinschaft;
verstorben im Oktober 99)
Interview mit Prof. Anas SCHAKFEH
Geschäftsführender Präsident der IslamischeN GLAUBENSGEMEINSCHAFT in ÖSTERREICH
Radio FRO: Sehr geehrter Herr Prof. Anas Schakfeh, Sie sind der
geschäftsführende Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich.
Ich möchte Sie gerne bitten unseren Zuhörern bei Radio FRO in Oberösterreich
(105 MHz, jeden Samstag 19 Uhr 30) einiges über Ihre Gemeinschaft und deren
Ziele zu sagen.
Prof. SCHAKFEH:
Bismillahir Rahmanir Rahim.
Unsere Glaubensgemeinschaft, die Islamische GLAUBENSGEMEINSCHAFT in ÖSTERREICH
ist eine staatlich anerkannte Religionsgesellschaft der Muslime in der Republik
ÖSTERREICH.
Die Anerkennung wurde uns Muslime in Österreich ausgesprochen, auf Grund des sog.
IslamGESETZES - und das war im Jahre 1912.
Selbstverständlich waren seinerzeit die Muslime in Österreich eine gross
e
Minderheit, denn damals gehörte BOSNIEN-HERZEGOWINA zu ÖSTERREICH und die
Muslime dort waren eben die Islamische Gemeinde - und auf Grund dessen kam die
Anerkennung.
Nach dem ersten Weltkrieg, wo BOSNIEN-HERZEGOWINA dem Lande ÖSTERREICH
verlorengegangen ist, haben wir Muslime praktisch aufgehört zu existieren in
ÖSTERREICH. Es war eine Zeit, wo nur vereinzelt Muslime in diesem Land anwesend
waren.
Dann nach dem zweiten Weltkrieg hat sich die Situation rasch verändert und
besonders nach dem Beginn der 60er Jahre kamen dann zunehmend Muslime nach
ÖSTERREICH - aus verschiedensten Gründen. Zuerst als Diplomaten, dann als
Studenten und schliess
lich als Gastarbeiter. Und so bildete sich wieder eine
Islamische Gemeinde in Österreich. Die Anerkennung war gesetzlich noch immer da
und so hat man diese alte Anerkennung nur reaktivieren müssen und das haben wir
bereits getan. Seit 1979 besteht die Islamische Religionsgemeinde WIEN. Die
Islamische Religionsgemeinde WIEN ist eine von 4 vorgesehenen Religionsgemeinden
für die gesamte Republik. Diese 4 Religionsgemeinden bilden dann insgesamt
zusammen die Islamische GLAUBENSGEMEINSCHAFT in ÖSTERREICH. Diese hat natürlich
die Aufgabe aber auch das Ziel, die Muslime in diesem Land religiös zu betreuen.
Das heisst die religiösen Dienste für die Muslime in Österreich, ob Staatsbürger
oder Mitbürger, die noch nicht eingebürgert sind religiös zu betreuen. In erster
Linie heisst dies, den religiösen Unterricht in den Schulen, den öffentlichen
Schulen für die muslimischen Kinder zu organisieren. Derzeit haben wir in etwa
mehr als 36.000 bis 37.000 Schüler, die in Islamischer Religion unterrichtet
werden. Darüber hinaus gibt es in Österreich in etwa 100 bis 130 Moscheen und
diese Moscheen oder Gebetststätten - die Bezeichnung Moschee passt wahrscheinlich
nur auf ein Objekt in Wien, die anderen sind Gebetsstätten, welche von den
lokalen Vereinen unterhalten werden - aber diese Vereine unterstehen der
Oberaufsicht der Islamischen Religionsgemeinde und in der Folge der Islamischen
Glaubensgemeinschaft in Österreich.
Dies ist im gross
en und ganzen die Islamische Glaubensgemeinschaft und ihre Ziele.
Selbstverständlich verstehen wir uns als eine österreichische Institution und
wir arbeiten auf die Integration der Muslime in diesem Land.
Die Integration soll aber nicht heissen eine absolute Auflösung und Assimilation
in der hiesigen Gesellschaft, sondern die Integration bedeutet, dass wir uns als
Teil der hiesigen Gesellschaft betrachten.
Wir haben die gleichen Rechte und Pflichten wie die anderen Mitbewohner dieses
Landes. Die Bevölkerung dieses Landes gehört nicht einer Religion, sondern
vielen verschiedenen Religionen. Selbstverständlich - die katholische Kirche
bestellt sozusagen die Mehrheit des Landes und diese Mehrheit und diese Position
der katholischen Kirche wird von uns akzeptiert und respektiert!
Niemand denkt daran, die Rolle aber auch Position der katholischen Kirche
streitig zu machen. Wir kommen auch mit der Katholischen Kirche und auch anderen
religiösen Institutionen und religiösen Minderheiten dieses Landes sehr gut aus,
wir sind im Gespräch mit den anderen, wir wollen mit den anderen Kirchen und
Religionsgesellschaften für das Land, für die Harmonie in diesem Land, für den
Frieden in diesem Land zusammenarbeiten und wir engagieren uns sehr oft in
gemeinschaftlichen Veranstaltungen mit den anderen Kirchen und
Religionsgesellschaften.
Ziel, wie ich gesagt habe, ist die Integration unserer Bevölkerung, der
moslemischen Bevölkerung in der hiesigen Gesellschaft unter Aufbehaltung und
Einbewahrung der religiösen und kulturellen Identität.
Radio FRO: Sehr geehrter Herr Präsident - ich danke sehr herzlich für die
ausführliche Darstellung Ihrer Gemeinschaft und deren Ziele.
Vielleicht können wir gleich die Gelegenheit auf Radiosendung zu sein nutzen und
uns direkt an unser Publikum wenden?
Möglicherweise haben Sie bestimmte Wünsche an unsere Zuhörer oder Sie möchten
unseren österreichischen MitbürgerInnen oder Ihren Islamischen
Glaubensgeschwistern etwas ganz Bestimmtes mitteilen?
Prof. SCHAKFEH:
Ja, selbstverständlich.
Ein Anliegen und ein Wunsch von mir, und nicht nur von mir sondern von uns in
der Leitung der Islamischen Glaubensgemeinschaft wäre, dass unsere Nachbarn,
unsere Nachbarn von den anderen Religionen uns genauso aufnehmen wie wir sie
betrachten, nämlich als Nachbarn. Als gute Nachbarn. Wir wollen mit den anderen
nicht nur, wie ich gesagt habe sozusagen - "in Frieden und von weitem" - leben,
sondern mit ihnen zusammenleben. Das Zusammenleben heisst, dass wir uns
gegenseitig respektieren und akzeptieren.
Selbstverständlich wissen wir, dass manche unserer Mitbewohner in Österreich
gewisse Bedenken haben, irgendwelche Ängste, Befürchtungen weil sie uns nicht
näher kennen. Weil sie glauben bestimmte Verhältnisse, die in anderen Teilen der
Welt herrschen, kommen möglicherweise nach ÖSTERREICH übertragen.
Auf diese Ängste, für welche wir auch Verständnis haben will ich antworten, dass
die Menschen moslemischen Glaubens, die in Österreich leben, nichts anderes
wollen, als - wie ich bereits gesagt habe - in Frieden mit der hiesigen
Bevölkerung zusammenleben.
Tendenzen, die auf Radikalität hinzielen, usw. sind mit Sicherheit von der
absoluten Mehrheit unserer moslemischen Bevölkerung abgelehnt und nicht gut zu
heissen und werden auch nicht akzeptiert, aber wir können sie nicht ausschliess
en.
Aber was wir versichern können, dass solche Tendenzen minimal sind und nur bei
solchen Randgruppen, die eben nicht ins Gewicht fallen. Deswegen wäre
angebracht, wenn wir mehr Verständnis und mehr Entgegenkommen von unseren
Nachbarn erfahren, denn dann werden auch unsere Menschen ermutigt, offener und
auch sagen wir - kooperativer zu sein und dann wird man sie kennenlernen als
einfache, fleissige aber auch freundliche Menschen.
An meine Gemeinschaft, an die Brüder und Schwestern will ich apellieren, dass sie
eben das Gespräch suchen mit den Nachbarn, dass sie nicht versuchen abgesondert
und isoliert zu leben. Ein Gettoleben ist nicht wünschenswert und nicht
zielführend. Es ist schon auch verständlich, dass man zuerst die Kontaktaufnahme
mit den "Gleichen" sucht, aber in zweiter Linie sind wir alle gleich. Wir sind
alle Bewohner dieses schönen Landes und wollen uns etablieren als Teil der
Gesellschaft - und kein Teil der Gesellschaft kann und darf sich absondern und
isolieren von der übrigen Gesellschaft.
Deshalb mehr Verbindung, mehr Beziehung zu den Nachbarn, denn nur dadurch können
wir Vorurteile abbauen. Vorurteile gibt es, das kann man von vorne herein nicht
verhindern, aber man kann sie abbauen. und dafür sind wir alle da und dafür
sollen wir alle gemeinsam zusammen arbeiten.
Radio FRO: Sehr geehrter Prof. SCHAKFEH, wir bedanken uns herzlich für dieses
Interview und wünschen Ihnen und Ihrer Gemeinschaft viel Erfolg bei der
Verwirklichung Ihrer Ziele.
Prof. SCHAKFEH:
Vielen Dank.
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