Der Adab des Muriid
Scheich Abd al-Qadir Issa | Übersetzung
Arabisch/Englisch: Umar Benhalim | Übersetzung Englisch/ Deutsch: Aisha
Angerstein | Rajab 1419 - November1998
Der Adab des Murid
gegenüber seinem Scheich und seinen Brüdern
Nachdem man den
Nutzen von Gesellschaft und im Besonderen den Nutzen der Gesellschaft eines
Erben des Propheten Muhammad, der Friede und der Segen Allahs
seien auf ihm, erkannt hat – eines Scheichs, der selbst unter den Anweisungen
eines vollkommenen Murshid stand, welcher - vermöge der Übertragung der Realität
- in Verbindung mit dem Propheten, der Friede und der Segen Allahs
seien auf ihm, steht, der erhöht ist im Rang (Maqamah) und Erlaubnis
erhalten hat zu lehren, der sharia und Wahrhaftigkeit vereint hat – wird die
Wichtigkeit, der Gefährte eines solchen Mannes zu werden, deutlich.
Wir werden nun einiges des Adab anführen, dessen ein aufrichtiger Murid bedarf,
um sein Ziel zu erreichen. Die Leute Allahs
stimmen darin überein, dass derjenige, welcher kein Adab besitzt nicht gehen
kann, und wer nicht gehen kann zu keinem Ziel gelangen kann; und dass jener,
welcher Adab besitzt in kurzer Zeit das Mass des Menschen erreichen kann. Wir
werden nun einiges von dem Adab des Murid gegenüber seinem Scheich und seinen
Brüdern erzählen.
Der Adab des Murid gegenüber seinem Scheich – Inneres Adab
Unterwerfung unter
den Scheich und Gehorsam ihm gegenüber in all seinen Anweisungen und
Ratschlägen. Das geschieht nicht durch blindes Folgen, in welchem eine Person
ihr Urteilsvermögen vernachlässigt und ihre Persönlichkeit aufgibt; vielmehr ist
es die Ergebung in eine Person von Wissen und Erfahrung. Voraussetzung für diese
Ergebung ist, dass sich der Murid von dem Vorhandensein verschiedener
grundsätzlicher Anforderungen an seinen Scheich überzeugt hat – seiner Erlaubnis
zu lehren, seinen Empfehlungen, dem gründlichen Studium eines Faches,
Urteilsvermögen, Barmherzigkeit, dass er sharia und Wahrhaftigkeit vereint hat,
usw.. Hiebei handelt es sich um eine exakte Parallele zur Unterwerfung einer
kranken Person unter die Anordnungen eines Arztes in seiner Behandlung. Solch
eine Person wird als eine verständige, vernünftige Person betrachtet und nicht
als eine, die ihren Verstand und ihre Persönlichkeit aufgegeben hat.
Der Murid sollte
weder Einwand erheben gegen die Methode, die sein Scheich anwendet ihn zu
unterrichten, noch sollte er fortgesetzt irgendeine der Handlungen seines
Scheichs kritisieren, der in dieser Hinsicht ein Mann des Wissens ist.
Handlungen dieser Art sollen unterlassen werden, da sie sonst das spirituelle
Band zwischen einem Murid und seinem Scheich schwächen, das Vertrauen, das der
Murid in seinen Scheich hat zerstören und den Murid daran hindern, den Nutzen,
dessen er sonst teilhaftig würde, zu erhalten. Al-Allam bin Hajar al-Haithami
hat gesagt: „Derjenige, welcher gegen die Schujuch (Mz. von Scheich) Einwände
erhebt und Untersuchungen ihrer Umstände und Handlungen anstellt zeigt ein
Zeichen seines Verlustes und seines bösen Endes.“ Er wird nichts zuwege bringen.
Es heisst auch, dass, wer seinen Scheich fragt: „Warum?“, niemals
weiterkommen wird.
Sollte Shaitan (Satan) Zweifel in das Herz des Murids setzen, welche das
Verhalten seines Scheichs in Angelegenheiten der sharia betreffen und welche zu
einem Verlust des Vertrauens in seinen Scheich führen, so muss er probieren gut
von ihm zu denken und diesen, seinen Handlungen eine Ursache der sharia
zuzuschreiben. Sollte er sich dazu nicht in der Lage fühlen, so sollte er dem
Scheich seine Zweifel mit Adab und Respekt mitteilen. Al-Allam bin Hajar
al-Haithami, sagte: „Derjenige, welcher die Schujuch im Zweifelsfall
entschuldigt, nicht ihre Umstände zu erforschen sucht, ihre Handlungen Allah
, t‘ala überlässt und sich um seine eigenen
Angelegenheiten kümmert, wird bei seiner Bestimmung ankommen und sein Ziel in
der kürzest möglichen Zeit erreichen.“
3. Der Murid
sollte von seinem Scheich nicht denken, dass dieser unfehlbar ist. Obschon er
sehr vollkommen ist, ist er nicht unfehlbar. Wenn ein Murid seinen Scheich als
unfehlbar sieht und später etwas beobachtet, das es ihm anders erscheinen lässt,
so wird ihm der daraus folgende Zustand der Verwirrung Verlust und Entfremdung
verursachen. Jedoch bedeutet das Erkennen des Murids, dass sein Scheich fehlbar
ist, nicht, dass er fortgesetzt auf der Lauer nach der Möglichkeit von Fehlern
in dieser und jener der Anordnungen und Ratschläge seines Scheichs sein sollte,
denn wenn er das tut, wird der Murid sich einer Menge des Nutzens, dessen er
sonst teilhaftig würde, berauben. Wieder kann die Parallele zu einem Kranken und
seinem Arzt gezogen werden. Wenn der in ihm vorherrschende Gedanke jener über
mögliche Fehler, die sein Arzt begehen kann, ist, so wird die Folge ein Zustand
beträchtlicher UnRuuhhe und Zweifel sein.
Hat sich der Murid
von der Befähigung und der Eignung seines zukünftigen Scheichs zu lehren und zu
führen überzeugt, hat er in dessen Person alle Anforderungen an einen Erben des
Propheten Muhammad, der Friede und der Segen Allahs
seien auf ihm, gefunden und den spirituellen Fortschritt der Gefährten des
Scheichs beobachtet, dann sollte der Murid wirklich an die Vollkommenheit seines
Scheichs glauben und an dessen Fähigkeit als Lehrer und Führer.
Das Verhältnis des
Murids zu seinem Scheich muss von aufrichtiger und diesem treu ergebener Art
sein. Der Murid sollte ernsthaft sein in seinem Suchen und rein in seinen
Zielen.
Der Murid sollte
seinen Scheich preisen und seine Unantastbarkeit in seiner Gegenwart und seiner
Abwesenheit schützen. Ibrahim bin Shayban al-Kruaisani sagte: „Wer einen Scheich
verleumdet, wird selbst von dieser Verleumdung betroffen werden.“ Muhammad bin
Hamed al-Tarmadhi hat auch gesagt: „Wenn du durch die Gnade Allahs
an einem Ort angekommen bist und bemerkst, dass dir das Heiligtum der Leute dort
und die Freuden dieses Platzes verwehrt sind, dann wisse, dass du ein
hochmütiger Mensch bist, der gefallen ist.“ Er sagte auch: „Derjenige, welcher
unzufrieden ist mit den Umständen und dem Lehren der Schujuch wird weder von
Büchern lernen, noch durch die Zeit.“ Ibn al-Abbas al-Mursi sagte: „Wir haben
die Leute beobachtet, aber es ist uns noch keine Person untergekommen, welche
die Schujuch zurückgewiesen und selbst ein gutes Ende genommen hat.“ Scheich
Abdul Qadir al-Gilani sagte: „Wer einen wali Allahs
schmäht, wisse, dass Allah
ihn mit einem toten Herzen bekümmern wird.“
Der Murid sollte
seinen Scheich so sehr wie möglich lieben, aber darauf achten, dass dies nicht
seinen Respekt für andere Schujuch mindert oder dass diese Liebe sich zu einem
verderbten Zustand entwickelt, auch nicht, dass diese Liebe seinen Scheich
abhebt vom Rest der Menschheit. Die Ergebenheit eines Murids in seinen Scheich
wird durch seinen Gehorsam jenem gegenüber gefestigt und das Wissen um Allah
in seinen Handlungen. Denn, so wie die
Persönlichkeit des Murids mit seiner Folgsamkeit wächst, so wird sein Wissen
wachsen und so wie sein Wissen wächst, so wird seine Ergebenheit wachsen.
Der Murid sollte auf keinen anderen als seinen Scheich schauen um Liebe zu zwei
Schujuch zu vermeiden. Das wäre wie eine kranke Person die für ein und das selbe
Leiden Behandlung von zwei Ärzten erhält und sich in einer Situation des
Zweifels und der Unschlüssigkeit befindet. Zwei Ärzte, welche den selben
Patienten untersuchen werden die selbe Krankheit und die sie begleitenden
Symptome erkennen, aber jeder dieser Doktoren mag sich für einen anderen Weg der
Behandlung entscheiden um eine Heilung dieser einen Krankheit zu bewirken.
Adab des Murid gegenüber seinem Scheich –Äusseres Adab
1. Seinem
Scheich absolut gehorsam zu sein.
2. In seiner
Gegenwart ein respektvolles, ernsthaftes Benehmen anzunehmen, zu sitzen oder zu
stehen, nicht ohne Grund zu lachen, nicht die Stimme zu ihm zu erheben oder ohne
seine Erlaubnis zu sprechen. Mit einem anderen als diesem Benehmen zeigt er
einen Mangel an Respekt und Rücksicht gegenüber seinem Scheich und das wird ihn
des geistigen Fortschritts und der Segnungen berauben.
3. Seinem
Scheich bis zu seinem Möglichsten zu dienen, denn – wer dient, dem wird gedient.
4. Die
Versammlungen seines Scheichs regelmäss
ig zu besuchen. Sollte der Murid weit
entfernt sein von seinem Scheich (geographisch), so sollte er ihn, so oft wie
möglich, besuchen. Es wird deshalb gesagt: „Besuche bei einem Lehrer lehren und
erhöhen.“ Die Suufi Meister haben ihr Reisen auf drei Prinzipien gegründet -
Versammlung, Zu/Anhören, Gehorchen.
5. Mit den
Lehrmethoden seines Scheichs geduldig zu sein, wie z.B. seiner Verbannung und
seinem Verweis, etc. durch welche der Scheich beabsichtigt, den Murid von seiner
rebellischen Nafs und den Krankheiten seines Herzens zu befreien. Ibn Hajar
al-Haithami sagte: „Viele der Nafs, welche nicht für den Erfolg bestimmt sind
fliehen bei der Ansicht der Lehrmethoden ihres Scheichs. Sie beschimpfen ihn und
bezichtigen ihn der Fehler und Schwächen, deren er unschuldig ist. Hüte dich
davor, denn die Nafs möchte nur das Verderben ihres Eigentümers und ein Murid
sollte ihr nicht gehorchen indem er seinen Scheich schmäht.“
6. Der Murid
sollte nicht unterschiedslos wiederholen, was sein Scheich zu ihm gesagt hat,
denn wenn er das tut, so könnte er sich selbst und seinem Scheich Schaden
zufügen, denn es gäbe viele, die nicht verstünden. Sayyid ‘Ali, Allahs
Wohlgefallen auf ihm, sagte: „Sprich zu den Leuten über das, was sie verstehen
können. Oder willst du, dass sie nicht an Allah
und Seinen Gesandten glauben?“
Alles Adab ist beabsichtigt für den wahrhaft ehrlichen Murid, der die Göttliche
Gegenwart erreichen möchte. Der oberflächliche Murid sollte Abstand davon nehmen
sich den Suufis zuzugesellen und ist als solcher nicht verpflichtet zu
irgendeiner Regel dieser Gesellschaft oder ihres Adab. Der oberflächliche Murid
kann jedwede andere Art zu leben für sich wählen, ohne dass es ihm jemand
verargen kann.
Adab des Murid gegenüber seinen Brüdern
1. Die
Unantastbarkeit und Reinheit seiner Brüder zu schützen, seien sie anwesend oder
abwesend. Er sollte nicht hinter ihrem Rücken reden oder sie verächtlich machen,
denn das zu tun ist vergiftend für ihn.
2. Jene, die
unwissend oder im Irrtum sind, zu beraten. Für diese Beratung gibt es
Bedingungen. Es sind ihrer jeweils drei an der Zahl für beide Personen, für
jene, die den Rat gibt und für jene, die ihn erhält.
Für den Ratgeber sind
sie:
a. Der Rat muss im
Vertrauen gegeben werden.
b. Er muss behutsam
gegeben werden.
c. Er muss ohne
Gefühl der Überlegenheit gegeben werden.
Für den, der den Rat
erhält sind sie:
a. Den gegebenen Rat
zu befolgen.
b. Dem Ratgeber zu
danken.
c. Nach dem Rat zu
handeln.
3. Bescheiden
und ehrlich mit ihnen zu sein und ihnen bis zu seinem
Möglichsten zu dienen
(denn, wer immer Menschen dient ist ihr Meister).
4. Gut von
ihnen zu denken und sich nicht von ihren Schwächen und Fehlern stören zu lassen
– er sollte Allah
, t‘ala ihre Angelegenheiten anvertrauen.
„Sieh keine Fehler auss
er in dir selbst, denke daran, dass ein Fehler, den du
siehst, die Erscheinung dessen ist, was bereits in dir ist.“
5. Ihre
Entschuldigungen anzunehmen, wenn sie sie anbieten.
6. Friede
zwischen ihnen zu schliess
en falls sie uneinig sein sollten oder streiten.
7. Sie zu
verteidigen, wenn sie oder ihre Sicherheit angegriffen werden.
8. Sich des
Fragens oder des Suchens nach einer Position der Führung oder der Überlegenheit
unter ihnen zu enthalten. Jener, der zu herrschen sucht wird dazu nicht in der
Lage sein.
Schluss
Dies nun ist einiges des Adab, welches ein Murid einhalten sollte. Der Weg ist
ganz Adab und manche haben gesagt: „Lass deine Arbeit das Salz sein und dein
Adab das Mehl (mit welchem du das Brot bereitest).“
Abu Hifs al-Naisabouri, Allahs
Wohlgefallen auf ihm, sagte: „Tass
auwuf ist ganz Adab.“ Für jeden Moment, jede
Situation und jeden Rang gibt es Adab. Jener, der Adab besitzt erlangt das Mass
des Menschen und jener, der kein Adab besitzt ist entfernt, während er sich nahe
wähnt und abgewiesen, wenn er sich angenommen wähnt. In seinem Wesen sollte das
Adab des Murid gegenüber seinem Scheich und seinen Gefährten und Menschen im
Allgemeinen keine Grenzen kennen. Viele haben viel über Adab geschrieben; unter
ihnen sind Ibn Arabi al-Hatimi, Al-Sharani, Ahmad Zarruq, Ibn Ajiba,
Al-Suhrawardi und andere.
Anmerkung des
englischen Übersetzers
Der Adab des Murid
ist eine Übersetzung eines Abschnittes des arabischen Textes „Wahrheit über
Tass
auwuf“ von Scheich Abd al-Qadir Issa. Dieser Abschnitt beschreibt das
richtige Verhalten des Schülers gegenüber seinem Scheich und seinen Brüdern.