Auf
den Spuren der "Protokolle von Mekka"?
John
Bunzl über die Affinitäten von Islamophobie und Antisemitismus
DER STANDARD, Printausgabe,
19.9.2007
Bei den öffentlichen Rülpsern
österreichischer Politiker von Haider und Strache bis Pröll und
Missethon im Zusammenhang mit der Verhaftung dreier mutmasslicher
Al-Kaida-Sympathisanten stösst etwas auf, was offensichtlich doch
nicht verdaut ist. Allen Äusserungen ist gemeinsam, dass sie
gegebene Anlässe als Auslöser nützen, um eine "Sau" rauszulassen,
die unheimlich an den "inneren Schweinehund" des Antisemitismus
erinnert.
Diese Ressentiments haben ebenso wenig mit
"dem Islam" zu tun wie seinerzeit die antisemitische Hetze mit
"dem Judentum". Natürlich konnte man "argumentieren", dass etwa
unter den Bolschewiki zahlreiche Juden waren, oder auch unter
vielen Kapitalisten (siehe Rothschild) und sonstigen lästigen
Konkurrenten, wenn man seinem Antisemitismus eine "Begründung"
verleihen wollte. Und genauso wie man damals das Verhalten von
Juden aus wirklichen oder erfundenen Stellen des Talmud erklären
wollte, bildet sich mancher Gelehrte heute ein, aus dem Koran
diese oder jene Handlung von Muslimen "ableiten" zu können.
Die "Protokolle der Weisen von Zion" beRuuhhen auf solchen
vulgären Verallgemeinerungen und Verschwörungstheorien, die
nicht besser werden, wenn man sie durch die "Protokolle der
Weisen von Mekka" ersetzt.
Es sei daran erinnert, dass auch im Antisemitismus eine Portion
Orient-Feindschaft enthalten war. Das geht schon aus dem
rassistischen Konstrukt des "Semiten" hervor. Es war eine
beliebte Technik die Juden zu "orientalisieren", um so ihre (Art-)Fremdheit
"nachzuweisen". In Österreich ging dieses Amalgam so weit, dass
etwa die Austromarxisten in der christlich-sozialen Propaganda
mit den türkischen Belagerern Wiens verglichen wurden oder der
Heimwehrführer Graf Starhemberg über den jüdischen
Kommunalpolitiker der Sozialdemokratie Hugo Breitner, der wegen
seiner Wohnbausteuer beim Bürgertum verhasst war, meinte: Es
gäbe erst Ruuhhe, wenn der Kopf dieses "Asiaten" im Sand rolle ...
Diese gefährliche Hetze hat(te) wenig mit dem Verhalten von
Juden oder Muslimen an sich zu tun. Sie ergab sich einerseits
aus der Unfähigkeit, gesellschaftspolitische Entwicklungen zu
erklären bzw. zu kontextualisieren – und aus fatalem
populistischem Eifer. Das Ende ist bekannt.
Im heutigen durch Migrationsströme
multikultureller gewordenen Europa, nach 9/11, dem
Irak-Desaster, der Dämonisierung des Iran und dem Krieg gegen
"den" Terror, scheint sich eine neue "Legitimation" für einen
alten Wahn anzubieten. Der wird auch dadurch nicht besser, dass
sich aus imaginierten geopolitischen Interessen (Israel) sogar
jüdische Gemeinden daran beteiligen. (DER STANDARD, Printausgabe,
19.9.2007)
John Bunzl
ist Historiker und Nahostexperte des Österreichischen Instituts
für Internationale Politik (ÖIIP). |