Verzollung bzw. Stroh gegen Wolle. Eine Arbeit der "Kongruent Art". Landeskunstpreis Neue Galerie Graz 1991
Ein Sichtbarmachen einer dreidimensionalen
Die "Verzollung" oder "Stroh gegen Wolle" ist - geographisch gesehen - ein Handlungsablauf zwischen der Flughafen-Zollbehörde und der Neuen Galerie in Graz. Ein alle zwei Jahre stattfindender Kunstwettbewerb des Landes Steiermarks, bei dem die Künstler ihre Werke im Original und anonym abgeben mussten, war die Bühne auf der ich an sich unabhängige Ereignisse als Kunstaction zusammenführen konnte. Bemerkung: Die Anonymität und die Einreichung der Originalwerke wurde danach bald eingestellt, womit die Verzollungsaktion unmöglich gewesen wäre.
Ursprünglich hatte ich vor, die
Handelsskulptur als Stapel von dreißig
importierten Teppichen zum Kunstwettbewerb abgeben. Für den Zoll war das
aber keine Skulptur, sondern Teppiche. Zwischen der Zollbehörde und mir bestand
jetzt ein Konflikt über die Deutungshoheit betreffend des anzuwendenden
"Einfuhrumsatzmehrwertsteuersatz", denn für Teppiche sind 20% des
Wertes zu entrichten,
während für Kunstwerke nur 10% anfallen. Dieser ungelöste Konflikt war für
mich Anlass nicht mehr einen Teppichstapel als Handelsskulptur zum
Kunstwettbewerb abzugeben, sondern die noch zollrechtlich verschlossenen
Pakete; die Flughafen-Zollbehörde war damit einverstanden, die Verzollung im
Kunstraum vorzunehmen. Nunmehr war für die Preis-Jury nicht mehr der Inhalt
der Pakete zu beurteilen, sondern nur deren Hülle. Als die Hüllen dann
prämiert waren, kam der Zollbeamte einige Tage später in den "Kunstraum"
(Neue Galerie Graz) und nahm die Öffnung bzw. die amtliche Verzollung vor.
Das Verknüpfen von an sich unabhängigen Ereignissen, das nun die Kunst: Ein
Austausch von Inhalten und Werten in Form einer Skulptur und als Aktion.
Ein Sichtbarmachen einer dreidimensionalen
1. Kluft - Kunst : Amt
Das Zollsiegel wurde rituell geöffnet und die Handelsskulpturen - bzw. Teppiche aus
Sicht der Behörde - zog ich zur Beurteilung teilweise aus der Verpackung. Der Zollbeamte definierte nun
den Inhalt mittels Qualität (Knotenanzahl, Wolle,
Herkunftsland, handgeknüpft) während es sich für für die Neue Galerie um Kunstwerke
(wie etwa Gemälde)
handelte, die nicht als Leinwand und Öl, sondern als Kunstwerke zu verzollen wären. Dieser
Konflikt um eine Deutungshoheit von Objekten zwecks Festlegung des
"Einfuhrumsatzmehrwertsteuersatzes" zog sich noch monatelang im Form schriftlicher
Auseinandersetzung dahin. Soweit die erste Dimension
der Kluft, welche sich zwischen Recht und Kunst auftat.
2. Kluft - Inhalt : Hülle Mit dem Herausziehen der Teppiche aus ihren Verpackungen löste sich das prämierte Kunstwerk auf bzw. begann sich zu verändern. Was blieb waren leere Hüllen und ausgepackte Handelsskulpturen bzw. Teppichrollen, die allerdings nicht prämiert wurden. Um der Form des einst prämierten Kunstwerkes zu entsprechen und zu erinnern, begann ich die Hüllen mit bereitgestelltem Stroh auszustopfen. Das prämierte Kunstwerk existierte nicht mehr. Trotzdem "beschlagnahmte" die Neue Galerie die ausgestopften Hüllen als ihr Eigentum, denn damals war es noch die Regel, dass prämierte Kunstwerke in das Eigentum der Veranstalter übergingen. Das bedeutete, dass der Künstler mit dem Preisgeld auch sein Kunstwerk als Eigentum verlor. Dieser Widerspruch von Prämierung und Verlust des Prämierten ist die zweite Dimension der Kluft, die später abgeschafft wurde. Das Preisgeld war nicht einmal ein zehntel des importierten Wertes. Später kaufte die Neue Galerie eine der Handelsskulpturen. Diese sollte als Schmutzabstreifer im Eingang der neuen Galerie liegen bis die Wolle durchgescheuert ist. Das ist bisher nicht geschehen.
3. Kluft - Museal : Spirituell Während der Verzollungsaktion öffnete sich das Zeitfenster zur Durchführung der Hauptaktion (islamisches Ritualgebet), welche nun Vorrang gegenüber der gerade stattfindenden Verzollung hatte. Ich unterbrach daher den Verzollungshergang, was die museal eingeschränkt Wahrnehmenden dulden mussten. Es bildeten sich zwei Gruppen: Die eine spirituell Wahrnehmenden beteiligten sich an der Hauptaktion während die anderen in Gesprächen verharrten. Das war die dritte Dimension der Kluft, welche zwischen sakralem und musealen Bewusstsein verläuft. Spirituell schließ museal ein, umgekehrt nicht möglich.
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