Van Gogh TV
Minus Delta t (oder
−Δ t) war eine Gruppe, die zwischen Musik- und Kunstszene eine kaum näher zu
klassifizierende Form der „Life Art“ geschaffen hat. Die Gruppe, die sich nach
einem mathematischen Phänomen benannt hatte, wurde 1978 in Zürich von Mike Hentz,
Chrislo Haas und Karl Dudesek gegründet, drei künstlerischen Autodidakten, die
sich zuvor in der alternativen Kunst- und Musikszene betätigt hatten.
In den zehn Jahren ihrer Aktivitäten bildeten Hentz und Dudesek den personellen
Kern der Gruppe, zu der während ihres Bestehens ein knappes Dutzend weiterer
zeitweiliger Mitglieder stießen (u. a. Wolfgang Georgsdorf, Gerard Couty,
Malika Ziouech, Gérard Couty, Padeluun), nachdem Chrislo Haas die Gruppe
verlassen hatte, um als Musiker mit den Bands Deutsch-Amerikanische Freundschaft
(DAF) und Liaisons Dangereuses elektronische Musik zu machen.
Zu den Aktivitäten, die Minus Delta t in der deutschen Kunst- und Musikszene
bekannt machten, gehörten Auftritte in der frühen deutschen Punk- und
New-Wave-Szene wie zum Beispiel bei dem Festival „Geräusche für die 80er” in der
Hamburger Markthalle, von dem auch ein Mitschnitt auf dem Neue-Welle-Label Zick
Zack veröffentlicht wurde, und beim „Shvantz”-Festival an der Frankfurter
Städel-Schule. Bei diesen Auftritte waren Provokationen und die Konfrontation
mit dem Publikum wichtige Elemente, gelegentlich kam es – wie auch bei ihren
Performances im Kunstkontext – zu Handgreiflichkeiten. Minus Delta t hat auch
zwei Alben mit Musik veröffentlicht: ein Doppelalbum mit Aufnahmen, die während
des „Bangkok
Projekts” entstanden waren (1984) und
ein Dreifachalbum mit ihrem Performance-Konzert
„Opera Death” (1987).
Das „Bangkok Projekt” ist die bekannteste und spektakulärste Aktion von Minus
Delta t. Die Gruppe transportierte ab 1982 einen 5 Tonnen schweren Felsbrocken
aus Wales nach Asien transportiert wurde. Die Reise ging durch Deutschland,
Österreich, Jugoslawien, die Türkei, Syrien, den Libanon, den Iran, Pakistan und
Indien und endete 1984 beim „Bangkok Festival“ in der thailändischen Hauptstadt.
Während der Reise trafen sie unter anderem den österreichischen Bundeskanzler
Bruno Kreisky, den Fluxus-Künstler Ben Vautier, den Dalai Lama und den Papst,
der den Stein im Vatikan segnete.
Seiner Zeit voraus war aus heutiger Sicht, dass die „künstlerische
Feldforschungsreise” teilweise durch den Verkauf von „Kunstaktien” finanziert
wurde – lange vor dem Crowdfunding der Gegenwart, aber auch bevor Joseph Beuys
sein Aktion „7000 Eichen, Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung” in Kassel durch
den Verkauf von Grafiken und Anteilscheinen finanzierte.
Minus Delta t waren mehrmals zur ars electronica in Linz eingeladen. 1987 trat
die Gruppe im Performanceprogramm der Documenta 8 als „Kulturpolizei“ auf und
gestalteten das Abendprogram in der Kasseler Disco New York mit. Auch wenn die
körper- und aktionsbetonte situative Kunst von Minus Delta t auf den ersten
Blick wenig mit den Fernsehprojekten von Van
Gogh TV gemeinsam hatte, gibt es durchaus Gemeinsamkeiten: So gehörte
zu den Besonderheiten der Arbeit beider Gruppen zunächst, dass es sich immer um
kollektive Aktivitäten mit oft Dutzenden von Kollaborateuren handelte.
Besonders Mike
Hentz war neben Minus Delta t in einer Reihe von Kunstkollektiven
aktiv, unter anderem bei dem Videokunst-Netzwerk Infermental, Frigo und Radio
Bellevue.
Das „Bangkok Projekt” war genauso ein Kraftakt wie später „Piazza
virtuale”, die beide den Maßstab von „normalen” Kunstprojekten
überschritten. Um solche aufwendigen Projekte durchführen zu können, wurden beim
„Bangkok Projekt” wie bei „Piazza virtuale” Sponsoren gesucht, die diese
Aktivitäten übernahmen. Ein weitere Gemeinsamkeit besteht darin, dass diese
Aktionen oft die Beteiligung des Publikums erforderten.