Soziale Wärme - Eine sozialökonomische Perspektive - Exposé - 17. Dezember 2009 Nausner & Nausner Unternehmensberatung - Inhaber: Peter Nausner - A-8042 Graz, Rudolf-Hans-Bartsch-Str. 15 - Tel.: +43/316/38 21 84-0, Fax: DW 6 - , MA E-mail: office@nausner.at - http://www.nausner.at - © 2009
Der Kerngedanke des Projekts "Soziale Wärme" ist die öffentliche Nutzung der überschüssigen Abwärme aus dem geplanten zusätzlichen Kraftwerk in Mellach nahe Graz. Die Bewirtschaftung dieser Wärmeenergie im Sinne der Förderung des Gemeinwohls erfordert allerdings die Entwicklung geeigneter Strukturen und Organisationsformen um diese Zielsetzung zu erreichen. Es geht dabei vor allem darum, Formen der Nutzung im Sinne einer sozialökonomischen Perspektive so zu gestalten, dass dabei auch den Interessen des Gemeinwesens Geltung verschafft wird. Sozialökonomie hat ihren Ausgangspunkt bei den konkreten Bedürfnissen von Menschen in sozialen Kontexten. Sie bezieht sich damit explizit auf den Begriff des Gemeinwesens als horizontale Form der Vergesellschaftung. In ihrem Mittelpunkt stehen Assoziation, Kooperation und kollektive Selbstorganisation – alles Kernbegriffe der Zivilgesellschaft. Sozialökonomie verfolgt, wie der St. Gallener Wirtschaftsethiker Peter Ulrich konstatiert, keinen reinen Selbstzweck, sondern ist eine Wirtschaftsform im Dienste höherer, geradezu vitaler gesellschaftlicher Zwecke. Sozialökonomie als Ökonomie des Gemeinwesens rückt den Lebenszusammenhang der Lebenswelten der Menschen ins Zentrum der Betrachtung. Sie wird z.B. in Frankreich auch als „Solidarökonomie“ bezeichnet, die eine eigenständige Form wirtschaftlichen Handelns mit sozialen Zielsetzungen darstellt. Die Ökonomie des Gemeinwesens setzt somit auf Solidarität und auf die Engagementbereitschaft der beteiligten Akteure. Historisch wurzelt sie in der Bewirtschaftung von sog. „Gemeingütern“ (wie z.B. Weideland, Wasser, Jagdreviere etc.). Der damit verbundene Begriff des „gemeinen Nutzens“ gilt generell als Legitimationshintergrund aller territorialen und sozialen Einheiten. Er setzt damit unmittelbar an der Idee des unverkäuflichen Treuhandeigentums an, welches nachhaltig als Lebensgrundlage für alle dienen soll. Der Umgang mit Gemeingütern ist deshalb auch das zentrale Thema in der umweltpolitischen Debatte – nicht zuletzt auch im Fall des Kraftwerkprojektes Mellach. In diesem Fall handelt es sich um die Nutzung von sog. Umweltgemeingütern und die damit verbundenen ökologisch-sozialen Problemstellungen. Umweltprobleme entstehen letztlich immer dann, wenn Umweltgemeingüter wie z.B. Wasser oder Luft von einzelnen Akteuren übermäßig genutzt werden. So werden negative Effekte (Externalitäten) erzeugt, indem der Nutzen individuell anfällt, die Nachteile aber die gesamte Gemeinschaft trifft. Im Falle eines Kraftwerkes geht es z.B. um Belastungsgleichheit, d.h. um die Versorgungssicherheit jedes einzelnen Individuums mit einer Mindestumweltqualität. Man kann hier sehr gut erkennen, dass exklusive Rechte an potentiellen Gemeinschaftsgütern häufig negative wirtschaftliche, ökologische und soziale Effekte erzeugen können. Gemeingüter sind sog. „inklusives“ Eigentum, das niemanden von der Nutzung ausschließt, sondern die Teilhabe aller fördert. Man muss an dieser Stelle vielleicht auch daran erinnern, dass Eigentum historisch als Recht definiert wurde, vom Gebrauch oder Genuss bestimmter Dinge nicht ausgeschlossen werden zu können. Gemeingüter (und damit auch Umweltgemeingüter) wurden und werden in der Rechtform „Allmende“ beschrieben. Es handelt sich dabei um gemeinschaftliches Eigentum, dessen Nutzung grundsätzlich allen Mitgliedern einer Gemeinschaft offensteht. Im Wesentlichen existieren zwei Formen der Nutzung: 1. durch alle Gemeinschaftsmitglieder 2. durch einzelne Berechtigte (z.B. Wasserrechte, Weiderechte, Fischereirechte, Holzrechte, Emissionsrechte etc.) Im Fall Mellach nutzen die Kraftwerksbetreiber z.B. Wasser- und Schadstoffemissionsrechte und ziehen damit unmittelbaren Nutzen aus den Umweltgemeingütern Wasser und Luft. Die beim Betrieb entstehende Abwärme wird in Form erhitzten Wassers und erhitzter Luft (etwa mittels eines geplanten Kühlturmes, siehe Abbildung unten) an die Umwelt abgegeben. Es entstehen somit externe Effekte, indem beide Umweltgemeingüter im Umfeld des Kraftwerks in hohem Ausmaß verändert entsorgt werden. Diese gigantische Wärmeenergie, die solcherart als negativer Effekt verpuffen würde, soll nun im Rahmen des Projekts Soziale Wärme als Gemeingut der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden.
Aus sozialökonomischer Perspektive werden die Kraftwerksbetreiber aufgefordert, die von ihnen genutzten Umweltgemeingüter in ihrer transformierten Form der Allgemeinheit so zur Verfügung zu stellen, dass die darin enthaltene Wärmeenergie bestmöglich für unterschiedliche Zwecke genutzt werden kann. D.h. es entsteht nun in diesem Fall ein neues Gemeinschaftsgut in Form von Wärmeenergie. Bei der Bewirtschaftung der Abwärme als Gemeinschaftsgut müssen Lösungen für die folgenden zwei zentralen Dilemmata gefunden werden: 1. Nutzungsdilemma – d.h. wenn die Abwärme rivalisierend genutzt wird, kann es zur Übernutzung kommen, wodurch letztlich alle schlechter gestellt werden. 2. Beitragsdilemma – Kollektivgüter müssen auch erhalten werden, d.h. es müssen von den Nutzern auch (Erhaltungs-)Beiträge dazu geleistet werden. Neben der Übernutzung und dem Trittbrettverhalten von Nutzern müssen als drittes Kernproblem noch potentielle Verteilungskonflikte berücksichtigt werden. Insgesamt also hohe Anforderungen an mögliche Vorschläge zur Nutzung dieser Wärmeenergie. Letztlich sollten folgende Kriterien erfüllt sein: 1. Demokratische Organisations- und Unternehmensformen (z.B. Genossenschaften) 2. Verbriefte Nutzungsrechte (inklusives Eigentum) 3. Bedarfswirtschaftliche Ausrichtung (d.h. nicht primär profitorientierte Nutzung) 4. Nachhaltige Gewinnverwendung (Zweckbindung des Gewinnes) Die Umweltökonomin und diesjährige Nobelpreisträgerin Elinor Ostrom hat elementare Erfolgsfaktoren für eine nachhaltige Ressourcenbewirtschaftung von Gemeingütern genannt, die insbesondere auch für das Projekt „Soziale Wärme“ wichtig erscheinen: · Das Gemeingut ist in seinen Grenzen klar definiert. · Es existieren eindeutige Aneignungs- und Beitragsregeln. · Über Änderungen der Regelungen entscheidet die Mehrzahl der von der Nutzung Betroffenen. · Die Kontrolle des Gemeingutes und seiner Nutzung erfolgt durch die Nutzergemeinschaft. · Es gibt ein abgestuftes Sanktionssystem. · Es existieren Regelungen für die Lösung von Nutzungskonflikten. · Die Nutzer des Gemeingutes können unabhängig von staatlichen Stellen über die Gestaltung der Allmende entscheiden. · Bei einer großen Zahl von Nutzern existieren verbandsartige Zusammenschlüsse auf allen relevanten Ebenen (damit wird das sog. „Trittbrettfahren“ erschwert). Diese von Ostrom vorgetragenen Erfolgsfaktoren sollen dabei helfen, eine solidarisch kollektive Selbstorganisation der Nutzergemeinschaft zu ermöglichen, quasi als Wirtschaftsentwicklung „von unten“. Dabei bietet sich z.B. insbesondere die Rechtsform der Genossenschaft an (z.B. als Existenzsicherungskooperativen, Produktivgenossenschaften etc.). Diese traditionsreiche Rechtsform eignet sich für Kooperativen vielfältiger Art und ist durch ihre demokratische Binnenstruktur besonders interessant für die nachhaltige Bewirtschaftung von Gemeingütern. Als ein herausragendes Beispiel für die Möglichkeiten genossenschaftlicher Kooperativen sei hier die baskische Industriekooperative Mondragon genannt (www.mondragon-corporation.com). Mondragon ist ein Genossenschaftsverbund mit ca. 90.000 Mitarbeitern (davon sind über 80 % Genossenschaftsmitglieder, d.h. Mondragon gehört seinen Mitarbeitern) und einem Jahresumsatz von ca. 15 Milliarden Euro. Auch in unserem Nachbarland Italien gibt es erfolgreiche genossenschaftliche Beispiele. So haben sich z.B. ca. 1000 kleine Sozial- und Gesundheitsgenossenschaften zum Genossenschaftsverbund Gino Matarelli zusammengeschlossen, der die soziale Entwicklung Italiens maßgeblich beeinflusst. Nicht zuletzt muss man an dieser Stelle erwähnen, dass auch in Österreich aus historischer Sicht Genossenschaften eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung z.B. des Banken-, Versicherungs- oder Agrarwesens spielten und zum Teil bis heute erfolgreich aktiv sind (so z.B. die Raiffeisengruppe oder der Volksbankensektor). Es gibt so gesehen also durchaus erfolgreiche institutionelle Lösungsansätze für die Bewirtschaftung der überschüssigen Wärmeenergie aus dem neuen Kraftwerk Mellach. Projekte und Vorschläge zur nachhaltigen Nutzung dieses neuen Gemeinschaftsgutes sollten im Sinne der hier skizzierten sozialökonomischen Anforderungen und Rahmenbedingungen somit auch einen Beitrag zur Entfaltung des Gemeinwohls leisten. Denn nur über den Weg der Produktion sozialen Mehrwerts entsteht letztlich soziale Wärme! |
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