Rassisten für Demokratie
Rassistenportrait_1
87 x 57 mm |
Photopapier | durchgerieben | 1430 (2009)
|
[Bismillahirrahmaanirrahiim - In Israel ist es
der allseits bekannte und amtlich zwangsgeleugnete Rassismus, welcher wieder
einmal per Gesetz gesteigert werden soll. Der nachstehende Text von U.Avneri
hat mich, abgesehen davon, aber an etwas anderes erinnert. Nämlich an die
"Demokratiebeweihräucherung", welche unlängst von Islamischen
Religionslehren in Österreich, unter Androhung sofortiger Kündigung,
abverlangt wurde. Mit diesem "Abverlangen" des Bekenntnisses zur Demokratie
wurde eigentlich auf eine unterschwellige Grundeinstellung verwiesen, oder genauer
gesagt, auf ein latentes Vorhandensein in den Köpfen aller Parteien, wie sie es selbst
lautstark darstellten: nämlich der dem Menschen innewohnende "Faschismus". Der
Unterschied zu Israel liegt nur in der Dimension ihrer Exekutionsabsichten von
Glaubenszwang, denn in Österreich wurde den Nichtdemokratiegläubigen Lehrern
ja bloss mit
Jobverlust gedroht während in Israel, den nicht Zionismusgläubigen, gleich
Gefängnis und Staatsbürgerschaftsverlust angekündigt wird. Der Faschismus in Israel
tritt im Gewand von Rassismus auf u d der Rassismus im gewand von
Wiedergutmachung und Ähnlichem, in Österreich
hingegen unterm Schleier der "Integration". In Österreich war es
allerdings die offizielle
Vertretung
"der Muslime" selbst, welche die Demokratiebeweihräucherung nicht nur unter
Religionslehren, sondern gleich auch medial "im Namen aller ungefragten
Muslime" inszenierte, wiewohl allseits bekannt ist, dass die Glaubensinhalte
des Islam und jene, welche die demokratische Religion ausmachen, sich nur
peripher überschneiden, keineswegs aber übereinstimmen. In Israel hingegen,
da gibt es nicht nur von Muslimen, sondern auch von jüdischen Gruppen
einigen Widerstand gegen solch ein "Ss Verhalten", wie es Avneri im nachstehenden Artikel
nennt. Es ist ja alles verständlich, denn wer wähnt sich in Österreich etwa als
grüner Faschist; ist ja nicht zu auszudenken; so was ist ja paradox! Oder
gibt es das etwa doch?
Es geht
hier nicht um Demokratie oder deren zu beachtenden Gesetze, nein, es geht
hier einzig darum, dass versucht wird, andere mit Druck zu zwingen an
Demokratie zu glauben und diese auf jeden Fall gut zu heissen, oder sich zu
ihr zu bekennen. Es ist genauso, als würde man sich zum Islam bekennen
müssen, wobei es doch "laa iqraha fi
Diin" - keinen
Zwang in Religion gibt - wie es im heiligen
Qur'aan
geschrieben ist. Die Ereignisse zeigen die Abgeschnittenheit von Haqq
(Wahrheit) derjenigen,
die behaupten, dass Demokratie keine Religion geworden wäre, oder umgekehrt, dass
die Muslime in ihren Anfängen - vor 1400 Jahren - bereits derart Demokratie praktiziert hätten, weil manchmal beraten
und gewählt wurde. Religion ist immer genau diejenige Lebensweise, an deren
sie hervorbringenden Werte jemand glaubt, unabhängig vom Wahrheitgehalt. (Bemerkung von Muhammad
Müller)]
Nachstehende von Uri Avnery - veröffentlicht am 30.5.2009
- Ellen Rohlfs ist eine Mitarbeiterin von
Tlaxcala, dem
Übersetzernetzwerk für sprachliche Vielfalt. Diese Übersetzung kann frei
verwendet werden unter der Bedingung, dass der Text nicht verändert wird und
dass sowohl der Autor, die Übersetzerin als auch die Quelle genannt werden. URL dieses Artikels auf Tlaxcala:
http://www.tlaxcala.es/pp.asp?reference=7758&lg=de
Uri Avnery - Übersetzung Ellen Rohlfs
WIE
GLÜCKLICH können wir uns schätzen, eine extreme Rechte zu haben, die über
unsere Demokratie wacht.
In dieser Woche stimmte die Knesset mit gross
er Mehrheit ( 47 zu 34 Stimmen)
für ein Gesetz, das jeden mit Gefängnis bestraft, der zu leugnen wagt, dass
Israel ein „jüdischer und demokratischer Staat“ sei.
Die Gesetzesvorlage des Knessetmitglieds Zevulun Orlev von der
„Jüdisches Heim“-Partei (Habajit Hajehudi), rutschte durch die
vorbereitenden Verhandlungen. Sie sieht ein Jahr Gefängnisstrafe für jeden
vor, der „einen Aufruf veröffentlicht, der die Existenz des Staates Israels
als eines jüdischen und demokratischen Staates leugnet“ und wenn der Inhalt
des Aufrufs „Aktionen von Hass, Verachtung oder Illoyalität gegen den Staat
oder die Institutionen der Regierung oder des Gerichts verursacht“.
Was dem folgt, kann voraus gesehen werden. Anderthalb Millionen arabische
Bürger könnten Israel nicht als jüdischen und demokratischen Staat
anerkennen. Sie wollen, dass er „ein Staat für alle seine Bürger“ ist – für
Juden, Araber und andere. Sie behaupten auch nicht ohne Grund, dass Israel
sie diskriminiere und deshalb keine wirkliche Demokratie sei. Und auss
erdem
gibt es auch Juden, die nicht wollten, dass Israel als jüdischer Staat
definiert würde, in dem Nicht-Juden einen Status haben, der bestenfalls als
tolerierte Gäste bezeichnet werden könne.
Die Konsequenzen sind unvermeidlich. Die Gefängnisse werden nicht für alle
ausreichen, die dieses Verbrechens bezichtigt werden. Es müssen über das
ganze Land Konzentrationslager verteilt werden, um alle Leugner der
israelischen Demokratie aufzunehmen.
Die Polizei wird nicht in der Lage sein, sich mit so vielen Kriminellen zu
befassen. Man wird eine neue Einheit aufbauen müssen. Man könnte sie
„Spezielle Sicherheit“ oder abgekürzt Ss nennen.
Hoffen wir, dass diese Massnahmen genügen, um die Demokratie zu bewahren.
Wenn nicht, müssen striktere Massnahmen vorgenommen werden, wie z.B. die
Annullierung der Staatsbürgerschaft für den Demokratieleugner und die
Deportation aus dem Land, zusammen mit den jüdischen Linken und all den
anderen Feinden der jüdischen Demokratie.
Nach der Annahme der Gesetzesvorlage bei der 1. Lesung wird sie nun das
juristische Komitee der Knesset passieren, das sie für die erste und bald
danach für die 2. und 3. Lesung vorbereiten wird. Innerhalb weniger Wochen
oder Monate wird sie zu einem Gesetz des Landes.
Übrigens werden die Araber in der Gesetzesvorlage nicht ausdrücklich erwähnt
– auch wenn das klare Absicht ist. Alle die dafür stimmten, verstanden das.
Es verbietet auch Juden, für eine Veränderung der Definition des Staates zu
agitieren oder einen binationalen Staat im ganzen historischen Palästina zu
befürworten oder eine andere derart unkonventionelle Idee zu verbreiten. Man
kann sich kaum vorstellen, was in den USA geschehen würde, wenn ein Senator
ein Gesetz vorschlagen würde, das jedem mit Gefängnisstrafe droht, der eine
Änderung der Verfassung der USA vorschlagen würde.
DIE GESETZVORLAGE ist in unserer politischen Landschaft nichts
auss
ergewöhnliches.
Die Regierung hat schon eine Gesetzesvorlage angenommen, die jeden mit drei
Jahren Gefängnis bestraft, der die palästinensische Nakba betrauert – das
Geschehen, das 1948 die Entwurzelung von mehr als der Hälfte der
palästinensischen Bevölkerung aus ihren Häusern und von ihrem Land
verursachte.
Die Befürworter erwarten, ein arabischer Bürger müsse über das Ereignis
glücklich sein. Die Palästinenser hätten zwar gewisse Unannehmlichkeiten
erlitten, aber das sei nur eine Randerscheinung bei der Gründung unseres
Staates gewesen. Der Unabhängigkeitstag des jüdischen und demokratischen
Staates muss uns alle mit Freude erfüllen. Jeder, der nicht seine Freude zum
Ausdruck bringt, sollte eingesperrt werden – und drei Jahre werden wohl
nicht genügen.
Diese Gesetzesvorlage war von der ministeriellen Kommission für juristische
Angelegenheiten bestätigt worden, bevor sie der Knesset vorgelegt wird. Da
die rechtsorientierte Regierung über eine Mehrheit in der Knesset verfügt,
wird sie fast automatisch angenommen werden. (In der Zwischenzeit ist durch
einen der Minister eine leichte Verzögerung verursacht worden, der gegen die
Entscheidung Einspruch erhoben hat; also muss die ministerielle Kommission
sie noch einmal bestätigen).
Die Befürworter des Gesetzes hoffen vielleicht, dass die Araber am Nakba-Tag
auf den Strassen tanzen werden, israelische Flaggen auf die Ruinen der etwa
600 Dörfer aufstellen, die ausgelöscht wurden, und in den Moscheen Allah
für
das wundersame Glück, das ihnen beschieden worden ist, preisen .
DAS BRINGT mich zurück zu den 60er-Jahren, als mein Wochenmagazin „Haolam
Hazeh“ auch auf arabisch veröffentlicht wurde. Einer seiner Mitarbeiter war
ein junger Mann, der sich Rashed Hussein nannte und aus dem Dorf Musmus kam.
Schon als Jugendlicher war er ein begabter Dichter mit einer
verheissungsvollen Zukunft.
Er erzählte mir, dass er einige Jahren zuvor ins Büro des Militärgouverneurs
seines Bezirkes zitiert worden sei. Damals waren alle Araber Israels einer
Militärregierung unterworfen, die alle - die gross
en wie die kleinen -
Aspekte ihres Lebens kontrollierte. Ohne Genehmigung durfte ein arabischer
Bürger nicht einmal für ein paar Stunden sein Dorf oder seine Stadt
verlassen oder einen Job als Lehrer bekommen noch einen Traktor kaufen oder
einen Brunnen bohren.
Der Gouverneur empfing Rashed herzlich, bot ihm Kaffe an und lobte seine
Gedichte überschwänglich. Dann kam er zur Sache: einen Monat später war der
Unabhängigkeitstag und der Gouverneur sollte den arabischen „Notabeln“ einen
gross
en Empfang geben. So bat er Rashed, für diese Gelegenheit ein besonderes
Gedicht zu schreiben.
Rashed war ein stolzer Jugendlicher, durch und durch nationalistisch gesinnt
und es fehlte ihm nicht an Mut. Er erklärte dem Gouverneur, dass der
Unabhängigkeitstag für ihn kein Freudentag sei, da seine Verwandten aus
ihren Häusern vertrieben worden seien und der gröss
te Teil des Landbesitzes
des Dorfes Musmus auch enteignet worden sei.
Als Rashed nach einigen Stunden in sein Dorf zurückkehrte, bemerkte er, dass
ihn seine Nachbarn merkwürdig anschauten. Als er seine Wohnung betrat, war
er geschockt. Die Familienmitglieder sass
en alle auf dem Fuss
boden, die Frauen
klagten mit lauter Stimme, die Kinder sass
en dicht zusammengedrängt und
ängstlich in einer Ecke. Sein erster Gedanke war der, dass jemand gestorben
sei.
„Was hast du uns getan?“ schrie eine der Frauen, „Was haben wir dir getan?“
„Du hast die Familie zerstört,“ schrie eine andere, „Du hast uns fertig
gemacht!“
Es kam heraus, dass der Gouverneur die Familie angerufen und ihr gesagt
hatte, Rashed habe sich geweigert, gegenüber dem Staat seine Pflicht zu
erfüllen. Die Drohung war klar: ab jetzt steht die Gross
familie, eine der
gröss
ten des Dorfes, auf der schwarzen Liste der Militärregierung. Die
Konsequenzen waren jedem klar.
Rashed konnte den Klagen seiner Familie nicht widerstehen. Er gab nach und
schrieb ein Gedicht, wie es gewünscht wurde. Aber in ihm war etwas
zerbrochen. Einige Jahre später wanderte er in die USA aus, fand dort einen
Arbeitsplatz im Büro der PLO und starb auf tragische Weise. Er verbrannte
lebendigen Leibes in seinem Bett, da er – so schien es – mit einer Zigarette
rauchend eingeschlafen war.
DIESE ZEITEN sind für immer vergangen. Wir nahmen an vielen stürmischen
Demonstrationen gegen die Militärregierung teil, bis sie schliess
lich 1966
aufgehoben wurde. Als neu gewähltes Mitglied des Parlamentes hatte ich das
Privileg, für seine Aufhebung mit abzustimmen.
Die ängstliche und unterwürfige arabische Minderheit – damals etwa 200 000
Seelen, erholte sich. Eine zweite und dritte Generation wuchs heran, der
unterdrückte Nationalstolz hob sein Haupt. Und heute ist sie eine gross
e und
selbstbewusste Gemeinschaft von 1,5 Millionen. Aber die Haltung der
jüdischen Rechten hat sich nicht zum Besseren verändert.
Im Gegenteil.
In der Knesset-Bäckerei (das hebräische Wort für Bäckerei ist Maffia) wird
ein neues Gebäck gebacken. Eines davon ist eine Gesetzesvorlage, die
fordert, dass jeder, der die israelische Staatsbürgerschaft beantragt, seine
Loyalität zum „jüdischen, zionistischen und demokratischen Staat“ erklären
und auch Militärdienst oder einen Zivildienst ableisten muss. Sein
Befürworter ist der Knessetabgeordnete David Rotem von der „Israel unser
Haus-Partei“, der zufällig auch der Vorsitzende des Knesset-Gesetz-Komitees
ist.
Eine Loyalitätserklärung gegenüber dem Staat und seinen Gesetzen – ein
Rahmen, um das Wohlbefinden und die Rechte seiner Bürger zu schützen - ist
vernünftig. Aber Loyalität gegenüber einem „zionistischen“ Staat? Zionismus
ist eine Ideologie und in einem demokratischen Staat kann sich die Ideologie
von Zeit zu Zeit ändern. Das wäre so, als ob man Loyalität gegenüber den
„kapitalistischen“ USA, einem „rechtsorientierten“ Italien, einem
„linksorientierten“ Spanien, einem „katholischen“ Polen oder einem
„nationalistischen“ Russland erklären würde.
Es würde kein Problem für die Zehntausende von orthodoxen Juden in Israel
bedeuten, die den Zionismus ablehnen, da Juden von diesem Gesetz nicht
betroffen sind. Sie erhalten die Staatsbürgerschaft automatisch in dem
Augenblick, in dem sie in Israel ankommen.
Eine andere Gesetzesvorlage wartet darauf, im ministeriellen Komitee an die
Reihe zu kommen: sie schlägt vor, eine Erklärung zu verändern, den jeder
neue Knessetabgeordnete zu lesen hat, bevor er sein Amt übernimmt. Anstelle
von Loyalität „gegenüber dem Staat Israel und seinen Gesetzen“, wie es bis
jetzt hiess
, soll er oder sie aufgefordert werden, seine/ ihre Loyalität
„gegenüber dem jüdischen, zionistischen und demokratischen Staat Israel,
seinen Symbolen und seinen Werten“ auszusprechen. Dies würde fast
automatisch alle gewählten Araber ausschliess
en, denn nachdem sie Loyalität
gegenüber dem „zionistischen“ Staat erklärt hätten, würde dies bedeuten,
dass kein Araber je wieder für sie stimmen wird.
Es würde auch ein Problem für die orthodoxen Mitglieder der Knesset werden,
die gegenüber dem Zionismus keine Loyalität erklären können. Entsprechend
der orthodoxen Doktrin sind die Zionisten verworfene Sünder und die
zionistische Fahne ist unrein. Gott hat die Juden wegen ihrer Boshaftigkeit
aus diesem Land vertrieben, und nur Gott selbst kann ihnen erlauben, zurück
zu kehren. Der Zionismus hat die Aufgabe des Messias vorweggenommen und so
eine unverzeihliche Sünde begangen.
Viele orthodoxe Rabbiner blieben auf eigenen Wunsch in Europa und wurden von
den Nazis ermordet – sie wollten nicht die zionistische Sünde begehen und
nach Palästina gehen.
Die Fabrikation rassistischer Gesetze mit einem ausgesprochen faschistischen
Beigeschmack arbeitet nun mit Volldampf. Es ist Teil der neuen Koalition.
In ihrem Zentrum ist die Likudpartei, von der ein guter Teil rein
rassistisch ist ( pardon für das Oxymoron) Zu ihrer Rechten ist die
ultra-rassistische Shas-Partei, weiter rechts Liebermans
ultra-ultra-rassistische „Israel ist unsere Heimat“-Partei, danach die
ultra-ultra-ultra- rassistische „Jüdische Heimat-Partei“, die unverhohlene
Kahanisten einschliesst und die mit einem Fuss in der Koalition steht und mit
dem anderen auf dem Mond.
All diese Fraktionen versuchen, einander zu übertreffen. Wenn jemand eine
verrückte Gesetzesvorlage vorschlägt, dann fühlt sich der nächste gezwungen,
eine noch verrücktere vorzuschlagen usw.
All dies ist möglich, weil Israel keine Verfassung hat. Die Fähigkeit des
Obersten Gerichtshofes, Gesetze zu annullieren, die den „Grundgesetzen“
widersprechen, ist nirgendwo festgelegt. Und die rechtsorientierten Parteien
versuchen, diese aufzuheben. Es hatte seinen guten Grund, warum Avigdor
Lieberman das Justiz- und Polizeiministerium forderte - und dann auch
erhielt.
Gerade jetzt, wo die Regierungen der USA und Israel wegen der Siedlungen auf
einem klaren Kollisionskurs stehen, könnte das rassistische Fieber alle
Teile der Koalition infizieren.
Wenn man mit einem Hund ins Bett geht, sollte man nicht überrascht sein,
wenn man mit Flöhen aufwacht (die Hunde mögen mir verzeihen) . Diejenigen,
die solch eine Regierung wählten und noch mehr jene, die sich ihr
anschlossen, sollten von solchen Gesetzen nicht überrascht sein, die
angeblich die jüdische Demokratie schützen.
Der Name, der zu diesen heiligen Kriegern am ehesten passen würde, wäre:
„Rassisten für Demokratie“.