Ein "Nebel von
Manipulationen"
Quelle:
"Islamische Zeitung -Begegnung" mit dem investigativen Journalisten Gerhard Wisnewski über die Funktion des Terrors in der Moderne 28.08.2008
(iz).
Was treibt die aktuelle Debatte über den Terrorismus an und wie ist der
internationale „Kampf gegen den Terror“ zu bewerten? In
Mainstreammedien und mit Hilfe der von internationalen Thinktanks
ausgeklügelten Öffentlichkeitsarbeit werden zumeist die gleichen Thesen
produziert und wiederholt. Gegensätzlichen Positionen, die durchaus
reichlich sind, wird entweder nur ein Exotenstatus zugewiesen oder aber ihre
Vertreter werden gezielt in Misskredit gebracht.
Zu den führenden Kritikern
der herkömmlichen Bewertung der Anschläge vom 11. September und der Frage
nach dem internationalen Terrorismus zählt der langjährige Journalist,
Autor und Grimme-Preisträger Gerhard Wisnewski. Der investigative Journalist
wurde 1959 im schwäbischen Krumbach geboren und ist seit 1978 als
Medienschaffender tätig. 1990 schloss er sein Studium der
Politikwissenschaft an der Universität München ab. Bereits seit 1986
arbeitete Wisnewski als hauptberuflicher freier Journalist, Schriftsteller
und Filmautor. Gerhard Wisnewski arbeitete unter anderem bei der „FAZ“, der
„taz“, „Die Woche“, „Die Weltwoche“, dem ZDF, dem WDR und diversen Verlagen
mit. Darüber hinaus ist er Autor beziehungsweise Mitautor mehrerer Titel,
die sich auch mit dem Thema Terror beschäftigen.
Seine eigene Tätigkeit bewertet Gerhard Wisnewski wie folgt: „Ich sehe mich
den Idealen eines demokratischen und aufklärerischen Journalismus
verpflichtet und glaube an die Notwendigkeit der Kontrolle der Macht durch
die Vierte Gewalt. Politisch korrekten Konsensjournalismus zur politisch
korrekten Selbstpositionierung lehne ich für mich ab. Ich glaube, dass
bequemer Journalismus ein Widerspruch in sich ist und dass es zum Auftrag
des Journalismus gehört, unbequem zu sein.“
Islamische Zeitung: Lieber Herr Wisnewski, Sie
haben sich in vielfältigen Veröffentlichungen mit Terrorismus beschäftigt.
Eine davon, um nur ein Beispiel zu nennen, ist Ihr Buch „Das RAF-Phantom“1.
Wir im Westen heimischen Menschen führen ein vergleichsweise bequemes Leben.
Nichtsdestoweniger scheint der Terror unser ständiger virtueller, manchmal
auch realer Begleiter geworden zu sein. Ist er ein wesentlicher Bestandteil
der heutigen Zeit?
Gerhard Wisnewski: Ja, man versucht, ihn zu einem
wesentlichen Element zu machen. Man versucht, die berühmte Strategie der
Spannung durchzuführen, die schon in den 60er und 70er Jahren in Italien
erprobt wurde. Das heisst, die Bevölkerung wird in permanenter Angst vor
Terroranschlägen gehalten. Das kann von inszenierten, realen Anschlägen bis
zu einer Gerüchteverbreitung reichen, wonach Al-Qaida oder andere wieder
neue Anschläge planten. Oder man findet einen merkwürdigen Drohbrief im
Internet, der sich nicht auf bestimmte Absender zurückverfolgen lässt. Ich
vergleiche das immer mit den Dinosauriern in Spielfilmen. Man kann den
Dinosaurier entweder zeigen, was richtig teuer wird, oder man kann auch nur
die Blätter rascheln lassen. Der Effekt reicht schon aus, um dem Publikum
Angst einzujagen. Man versucht, die Weltbevölkerung unter die Strategie der
Spannung zu stellen, um sie auf diese Weise politisch manipulierbar zu
machen.
Islamische Zeitung: Wir sind also aus lauter
Terror-Angst nicht mehr in der Lage, relevante Fragen zu anderen Themen zu
stellen?
Gerhard Wisnewski: Das ist natürlich der Sinn der
Sache. Ich will jetzt nicht behaupten, dass wir nichts anderes mehr denken
können. Einmal geht es um diese psychologischen Aspekte, zum anderen um
knallharte innenpolitische Aspekte. Das heisst, man will mit Terrorphantomen
die Innenpolitik von Staaten verändern und in Richtung von Totalitarismus
und Diktatur treiben, wie wir das auch in Deutschland beobachten können.
Islamische Zeitung: Terroristische Gruppierungen
haben oft einen Anfangsmythos, bei dem auch die Mitwirkung von dritter Seite
nicht ausgeschlossen werden kann. Sehen Sie das auch beim so genannten
„muslimischen Terrorismus“?
Gerhard Wisnewski: Da gibt es natürlich einen
ganzen Haufen an Mythen. Es gibt mythische Personen wie die Usama bin Ladins,
Khalid Schaikh Muhammads und andere. Das sind mythische Figuren in der Sage
des Islamistischen Terrorismus. Natürlich gibt es auch hier einen
Gründungsmythos. In diesem Fall dürfte das der 11. September 2001 gewesen
sein, wobei behauptet wird, dass sich hier der „Islamistische Terror“ in
seiner Grausamkeit der Weltbevölkerung gezeigt habe.
Islamische Zeitung: Herr Wisnewski, sprechen wir
über den realen Terror. Ist der so genannte „Krieg gegen den Terror“ ein
wirksames Mittel, um Terrorismus zu bekämpfen?
Gerhard Wisnewski: Natürlich nicht. Dabei handelt
es sich um ein Phantom, um eine absolute Inszenierung. Das beste Mittel,
den Terrorismus zu bekämpfen, wäre es, die Geheimdienste auf ein Drittel
zurückzustutzen. Dann wäre man meiner Schätzung nach 80 Prozent des
terroristischen Problems los. Es ist ja häufiger so gewesen, dass
Geheimdienste am Anfang von Terrorismus gestanden haben; auch hier in
Deutschland. Die ersten Molotov-Cocktails, die 1968 aus den Reihen von
Demonstranten auf Fahrzeuge des Springer-Verlags flogen, stammten von
niemand anderem als einem Agenten des Verfassungsschutzes, der mit Andreas
Baader engen Kontakt hatte, mit ihm Aktionen durchführte und nach Waffen
gesucht hat. Daran erkennt man deutlich das Muster: Terrorismus ist zum
gross
en Teil geheimdienstliche Inszenierung, um Bevölkerungen und Staaten zu
manipulieren.
Islamische Zeitung: Ist der Terrorist im verqueren
Sinne ein Dienstleister des Staates?
Gerhard Wisnewski: Sehr häufig ist er das. Ich
bleibe einmal beim Beispiel des Peter Urbach aus dem Jahre 1968, der in
diesem Fall vom Berliner Landesamt für Verfassungsschutz eingesetzt wurde.
Es gibt auch ein neueres Beispiel, welches der Verschwörungstheorie
vollkommen unverdächtig ist. Der Sohn des ermordeten Generalbundesanwalts
Siegfried Buback, Michael Buback, hat jetzt aufgedeckt, dass 1977
möglicherweise eine V-Frau an der Ermordung seines Vaters beteiligt gewesen
sei. Michael Buback ist ein ganz etablierter Chemieprofessor, der angefangen
hat, zu recherchieren und auf diese Hintergründe gestossen ist.
Islamische Zeitung: Es gab ja auch einen V-Mann des
FBI, der am ersten Anschlag auf das World Trade Centers Anfang der 90er
Jahre beteiligt war...
Gerhard Wisnewski: Früher hat man ja im Falle von
Ärger nicht selten gesagt „Cherchez la femme“ (Suche die Frau). Damals war
die Ansicht verbreitet, wonach Frauen Anlass für Ärger seien. Wenn wir vom
Terrorismus reden, kann ich nur sagen: „Suchen Sie den V-Mann!“ Sie werden
immer irgendwo V-Männer finden. Sie werden immer Vorwissen bei den
Geheimdiensten finden. So war das wohl auch bei dem Attentat von 1993.
Islamische Zeitung: Ist das einhellige Meinung bei
den Diensten, oder findet auch dort eine Debatte über die Nützlichkeit
solcher Strategien statt?
Gerhard Wisnewski: Wie Sie sich auch vorstellen
können, gibt es dort relativ wenige Gegenmeinungen. Denken Sie darüber nach,
wie schädlich es ist, wenn man innerhalb von Demokratien
Geheimgesellschaften etabliert. Das kann einfach nur schief gehen und es
geht auch schief. Diese Geheimgesellschaften manipulieren die Gesellschaften
und die offiziellen Stellen und zwar mit ihrem angeblichen „Krieg gegen den
Terror“, indem sie einerseits Terror erzeugen und andererseits unter dem
Vorwand der Bekämpfung des Terrors Kriegsgründe schaffen.
Islamische Zeitung: Medial wie politisch steht
heute der so genannte „Islamische Terror“ im Vordergrund. Nun haben Studien
der Bertelsmann-Stiftung oder der EU ergeben, dass nur eine Minderheit
dieser Aktivitäten religiöse Ursachen haben. Wie kommt es Ihrer Meinung nach
zu dieser Diskrepanz zwischen Fakt und Darstellung?
Gerhard Wisnewski: Das ist sehr schwer
darzustellen, weil auch in solchen Studien nur sehr schwierig ein
Unterscheid zwischen manipuliertem und echtem Terrorismus gemacht wird. Ich
glaube, dass der echte Terrorismus nur eine sehr untergeordnete Rolle
spielt, weil sie eben doch nicht so viele Leute finden, die ihr Leben auf
Spiel setzen, um mit Bomben oder Attentaten gegen irgendwelche übermächtigen
Gegner zu kämpfen.
Ehrlich gesagt, hat es militärisch gesprochen keinen Sinn. Mit
unzureichenden Kräften übermächtige Gegner anzugreifen, stärkt diese Gegner.
Das führt dazu, dass sie verstärkt gegen mich zurückschlagen. Da sind wir
auch schon wieder bei dem versteckten Sinn dieses „Kriegs gegen den Terror“.
Anschläge werden im Namen irgendwelcher religiöser oder politischer Gruppen
verübt, sodass der Staat dann mit voller Wucht auf diese Gruppen
zurückschlagen kann.
Islamische Zeitung: Was zeichnet den
zeitgenössischen Terroristen im Vergleich mit den 70er Jahren des letzten
Jahrhunderts oder den russischen Nihilisten des 19. Jahrhunderts aus?
Gerhard Wisnewski: Dieser Terror-Astrologie kann
ich mich überhaupt nicht anschliess
en, weil ich tatsächlich Schwierigkeiten
hätte, Ihnen einen echten Terroristen zu nennen. Ich hätte immer Zweifel und
es gibt so wenige echte Beweise. Wahrscheinlich gibt es echte Terroristen,
aber das Problem ist, das sie in einem solchen Nebel von Manipulationen
untergehen, dass man hier keine wirkliche Unterscheidung mehr treffen kann.
Islamische Zeitung: Können Sie sich Deutungen von
John Gray oder Navid Kermani vom Terrorismus als Produkt der Moderne
anschliess
en?
Gerhard Wisnewski: Wir haben vorhin von
Begleitmythen gesprochen. Das ist ein solcher Mythos um den Terrorismus,
verbunden mit einem abstrakten Begriff der Moderne. Wenn wir zu
Terrorismus-Ursachen forschen, müssen wir ganz konkret forschen. Was am
Anfang von Al-Qaida stand, war ja nun einmal die CIA, die versuchte,
Terroristen für den Kampf gegen die Sowjetunion in Afghanistan anzuwerben.
Die Liste, auf der diese Kämpfer vermerkt waren, nannte man meiner Kenntnis
nach Al-Qaida. Das war der Ursprung von Al-Qaida, und hier wurde sie
benutzt, um gegen die Sowjetunion in Afghanistan zu kämpfen. Später hat man
diesen vielfältig zu verwendenden Feind genutzt, um einen neuen Mythos
aufzubauen: den Mythos vom Angriff des Islam auf die Vereinigten Staaten
beziehungsweise die westliche Welt.
Islamische Zeitung: Lieber Herr Wisnewski, vielen
Dank für das Gespräch! |