Die Ausbreitung Israels in Palästina
Offener Brief von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann vom
17.1.2008 an die Bundeszentrale für politische Bildung
Sehr geehrter Herr Schilling, sehr geehrte Damen
und Herren der Redaktion und der Pressestelle, durch Herrn Thomas
Immanuel Steinberg sind wir darauf aufmerksam geworden, dass sich auf
Ihrer website ein Dossier zum Thema Antisemitismus befindet
(http://www.bpb.de/themen/GX51KQ,0,0,Antisemitismus.html), das mit
den Worten eingeleitet wird: “Mit seiner Äusserung, Israel von der
Landkarte tilgen zu wollen, sorgte Irans Präsident Mahmud
Ahmadinedschad im Oktober 2005 weltweit für Empörung. Sein offener
Hass gegen Israel und die Juden entlädt sich regelmäss
ig: in
Drohungen, Anfeindungen, in einer konsequenten Leugnung und
Relativierung des Holocaust. Auch jenseits des Gottesstaates wächst
die Zahl der Geschichts-Revisionisten…”
Sie schreiben in Ihrem Text dem iranischen
Präsidenten das Zitat zu, das besagt, der Iran wolle Israel von der
Landkarte tilgen. Wir haben uns intensiv mit der Quellenlage
auseinandergesetzt und sind zu dem (vorläufigen) Ergebnis gekommen,
dass diese Formulierung nicht dem entspricht, was er tatsächlich
gesagt hat. Aber wir wollen nicht ausschliess
en, dass wir etwas
übersehen haben. Deshalb möchten wir Sie herzlich bitten, uns die
Ihren Ausführungen zugrunde liegende Quelle zu benennen. Es ist
unseres Ermessens der Wichtigkeit angemessen, der Sache auf den
Grund zu gehen. Dabei möchten wir Sie bitten, die Artikel von
Jonathan Steele im Guardian zu berücksichtigen, der sich auch sehr
eingehend mit dem besagten Zitat auseinandergesetzt hat (eine
Zusammenfassung seiner Argumentation und die Links auf seine Artikel
im Guardian finden Sie unter
http://www.arbeiterfotografie.com/iran/index-iran-0025.html)
Wir mögen in der Beurteilung übereinstimmen, dass
der iranische Präsident seine Abscheu gegenüber Israel und dessen
Politik gegenüber der palästinensischen Bevölkerung zum Ausdruck
bringt. Was uns aber eindeutig falsch zu sein scheint, ist die
Behauptung, er sei ein Judenhasser. Aber trotzdem: auch hier wollen
wir nicht ausschliess
en, dass wir etwas übersehen. Deshalb auch in
diesem Zusammenhang die Bitte, uns die Originalquellen zu benennen.
Das gleiche gilt für den Themenkomplex Holocaustleugnung.
In diesem Zusammenhang möchten wir auf einen
Sachverhalt hinweisen, der unserer Meinung sehr zu denken gibt. Das,
was dem iranischen Präsidenten vorgeworfen wird, womit er angeblich
droht, ist auf der anderen Seite bittere Realität. Es ist ganz
objektiv betrachtet Palästina, das nach und nach von der Landkarte
getilgt wird:
Es sieht also ganz danach aus: Israel praktiziert
genau das, was es dem Iran unterstellt zu beabsichten. Israel (und
seine Verbündeten) erheben den Vorwurf, der Iran wolle Israel von
der Landkarte tilgen. Tatsächlich aber wird Palästina durch Israel
von der Landkarte getilgt. Israel (und seine Verbündeten) werfen dem
Iran vor, nach Atomwaffen zu streben, verfügen selber aber längst
über derartige Waffen. Israel (und seine Verbündeten) führen
unentwegt das Wort vom Existenzrecht Israels im Munde. Doch es ist
bittere Realität, dass Israel das Existenzrecht Palästinas nicht nur
in Frage stellt, sondern die Politik Israels de fakto auf
Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung abzielt (ethnische
Säuberung, wie der israelische Historiker Ilan Pappe es nennt).
Wenn wir tatsächlich ein Interesse an einem
friedlichen Miteinander der Menschen in Palästina bzw. Israel haben
und tatsächlich aus unserer Geschichte gelernt haben, dann dürfen
wir die Realtität nicht verzerrt darstellen. Und wir müssen immer
damit rechnen, dass diejenigen, die ihre Interessen verfolgen, dies
mit unlauteren Mitteln tun. Dafür gibt es in der Geschichte zahllose
Beispiel. Und unseres Erachtens müsste es zentrale Aufgabe einer
Organisation wie der Ihren, die politische Bildung und Aufklärung
betreiben will, sein, hinter die Kulissen zu blicken, vor denen
vielfach Theater gespielt wird, das mit der Realität recht wenig zu
tun hat.
Mit freundlichen Grüssen Anneliese Fikentscher und
Andreas Neumann
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