Uri Avnery
über die jüngste israelische Aggression im Nahen Osten - „Das
eigentliche Ziel“ (16.07.06)
... entnommen von:
http://de.altermedia.info/general/uri-avnery-uber-die-jungste-israelische-aggression-im-nahen-osten-das-eigentliche-ziel-160706_6359.html (Aus dem Englischen: Ellen Rohlfs und Christoph Glanz,
vom Verfasser autorisiert) Quelle:
Uri Avnery 15.07.06
DAS EIGENTLICHE Ziel ist es,
das Regime im Libanon zu stürzen und eine
Marionetten-Regierung einzusetzen.
Dies war schon Ariel Sharons Ziel bei der Invasion des
Libanon 1982. Es ist ihm nicht gelungen. Aber Sharon und
seine militärischen und politischen Elitezöglinge haben dies
nie wirklich aufgegeben.
Genau wie 1982 wurde auch die jetzige Operation in
vollständiger Koordination mit der USA geplant und
ausgeführt.
Wie damals geschieht dies auch jetzt in Übereinstimmung mit
einem Teil der libanesischen Elite.
Das ist die Hauptsache. Alles andere ist Lärm und
Propaganda.
AM VORABEND der Invasion von 1982 sagte der Aussenminister
der USA Alexander Haig zu Ariel Sharon, bevor die Invasion
anfange, sei eine „klare Provokation“ notwendig, um die
nötige Akzeptanz in der Weltöffentlichkeit zu schaffen.
Die Provokation fand tatsächlich statt – genau zum
richtigen Zeitpunkt - als Abu-Nidals Terrorbande versuchte,
den israelischen Botschafter in London zu ermorden. Dies
hatte zwar keine Verbindung mit dem Libanon und noch weniger
mit der PLO (sie war ein Feind Abu Nidals), aber es genügte,
als die Provokation zu dienen, auf die man gewartet hatte.
Dieses Mal ist die nötige Provokation durch die
Gefangennahme zweier israelischer Soldaten durch die
Hisbollah geliefert worden. Jeder weiss
, dass sie nicht
anders als durch Gefangenenaustausch befreit werden können.
Aber die gross
e Militärkampagne, die seit Monaten vorbereitet
war, wurde der israelischen und internationalen
Öffentlichkeit als Rettungsmassnahme verkauft.
(Seltsam genug geschah dasselbe zwei Wochen vorher im
Gazastreifen. Hamas und seine Partner nahmen einen Soldaten
gefangen – dies war dann die Rechtfertigung für eine massive
Operation, die seit langem vorbereitet war, und deren Ziel
es ist, die palästinensische Regierung zu demolieren.)
Das erklärte Ziel der Libanon-Operation ist es, die
Hisbollah von der Grenze zu vertreiben, um es ihr zu
verunmöglichen, weitere Soldaten gefangen zu nehmen und
Raketen auf israelische Städte abzufeuern. Die Invasion in
den Gazastreifen zielt offiziell auch darauf ab, Sderot und
Ashkelon aus der Schussweite der Qassams zu bringen.
Das erinnert an die „Operation Frieden für Galiläa“,
1982. Damals wurde der israelischen Öffentlichkeit und der
Knesset erklärt, das Kriegziel sei, die Katjuschas 40 km weg
ins Landesinnere abzudrängen.
Das war eine bewusste Lüge; denn 11 Monate lang war vor
dem Krieg keine einzige Katjuscha-Rakete (noch ein einziger
Schuss) über die Grenze geschossen worden. Von Anfang an war
es das Ziel der Operation, Beirut zu erreichen und dort
einen Quisling-Diktator einzusetzen. Wie ich es mehr als
einmal erzählt habe, hat mir Sharon selbst dies so neun
Monate vor dem Krieg erzählt, und ich habe es damals
entsprechend mit seinem Einverständnis veröffentlicht (ohne
ihn direkt zu zitieren)
Natürlich hat die jetzige Operation auch verschiedene
sekundäre Ziele – und diese schliess
en die Befreiung der
Gefangnen nicht mit ein. Jeder normale Mensch weiss
, dass
dies nicht mit militärischen Mitteln erreicht werden kann.
Aber wahrscheinlich ist es möglich, einige der Tausende von
Raketen und Katjuschas, die die Hisbollah während der
letzten Jahre gehortet hat, zu zerstören. Für dieses Ziel
sind die Armeechefs bereit, die Bewohner von israelischen
Städten zu gefährden, die den Raketen ausgesetzt sind. Sie
glauben, das lohne sich, wie ein Austausch von
Schachfiguren.
Ein anderes sekundäres Ziel ist es, die
Abschreckungsmacht der Armee wieder herzustellen Das ist ein
Codewort, um auch den verletzten Stolz der Armee zu
rehabilitieren, der durch die gewagten Aktionen der Hamas im
Süden und der Hisbollah im Norden schwer gelitten hat.
OFFIZIELL VERLANGT die israelische Regierung, dass die
Regierung des Libanon die Hisbollah entwaffnet und sie aus
dem Grenzgebiet entfernt. Das ist unter der augenblicklichen Regierung – einem
empfindlichen Gefüge ethno-religiöser Gemeinschaften -
ziemlich unmöglich. Die leichteste Erschütterung könnte das
ganze Gebäude zum Einsturz bringen und den Staat in
vollkommene Anarchie stürzen – besonders nachdem es den
Amerikanern gelang, die syrische Armee zu vertreiben, mithin
das einzige Element, dass jahrelang für einige Stabilität
gesorgt hatte.
Die Idee, im Libanon eine Quisling-Regierung zu
installieren, ist nicht neu. Schon 1955 schlug Ben Gurion
vor, einen „christlichen Offizier“ zu nehmen und ihn als
Diktator einzusetzen. Moshe Sharett zeigte auf, dass diese
Idee sich auf völlige Ignoranz der libanesischen
Verhältnisse gründete und vereitelte dies. Aber 27 Jahre
später versuchte Ariel Sharon dies trotzdem, in die Tat
umzusetzen. Bashir Gemayel wurde tatsächlich als Präsident
ins Amt gehievt, um kurz darauf ermordet zu werden. Sein
Bruder Amin folgte ihm und unterzeichnete mit Israel einen
Friedensvertrag, wurde aber aus dem Amt vertrieben. (Genau
dieser Bruder unterstützt jetzt öffentlich die israelische
Operation).
Nun kalkuliert man, dass wenn die israelische Luftwaffe
genügend schwere Schläge gegen die libanesische Bevölkerung
austeilt und dabei die See- und Flughäfen lahm legt, die
Infrastruktur zerstört, die Wohnviertel bombardiert, die
Schnellstrasse Beirut-Damaskus unterbricht etc., dann würde
die Öffentlichkeit auf die Hisbollah wütend werden und die
libanesische Regierung unter Druck setzen, dass sie Israels
Forderungen erfüllt. Da die gegenwärtige Regierung nicht
einmal davon träumen kann, dies zu tun, würde dann die
Einsetzung eines Diktators durch Israel erfolgen.
Das ist militärische Logik. Ich habe meine Zweifel daran.
Man kann eher vermuten, dass der gröss
te Teil der Libanesen
wie jedes andere Volk auf der Welt reagieren wird: mit Zorn
und Hass gegen die Invasoren. So geschah es 1982 als die
Schiiten im Süden des Libanon – bis dahin so gefügig wie ein
Fussabstreifer – sich gegen die israelischen Besatzer erhoben
und die Hisbollah gründeten, die die stärkste Kraft des
Landes wurde. Wenn die libanesische Elite sich nun als
Kollaborateure Israels erweisen sollte, wird sie von der
Landkarte gefegt. (Übrigens: haben denn die Qassams und
Katjuschas die israelische Bevölkerung dazu gebracht, auf
ihre Regierung Druck auszuüben, damit sie aufgibt? Im
Gegenteil.)
Die amerikanische Politik ist voller Widersprüche.
Präsident Bush wünscht im ganzen Nahen Osten
„Regimewechsel“. Das gegenwärtige libanesische Regime ist
aber erst kürzlich von den Amerikanern eingesetzt worden.
Mittlerweile ist es Bush nur gelungen, den Irak zu
zerbrechen und dort einen Bürgerkrieg zu verursachen, (wie
es von uns hier vorausgesagt wurde). Er könnte dasselbe im
Libanon veranlassen, wenn er nicht beizeiten die israelische
Armee stoppt. auss
erdem könnte ein vernichtender Schlag gegen
die Hisbollah nicht nur die Wut des Iran anheizen, sondern
auch unter den Schiiten im Irak, auf deren Unterstützung
sich Bushs Pläne eines pro-amerikanischen Regimes gründen.
Wie sollte also die Antwort lauten? Nicht zufällig hat
die Hisbollah den Überfall mitsamt Soldatenentführung zu
einem Zeitpunkt durchgeführt, als die Palästinenser um
Beistand riefen. Die palästinensische Sache ist in der
ganzen arabischen Welt populär. Indem sie ihnen zeigt, dass
sie ein Freund auch in der Not sind, wenn alle anderen
Araber so schmählich versagen, hofft die Hisbollah ihre
Popularität zu vergröss
ern. Wenn jetzt schon ein
israelisch-palästinensisches Abkommen erreicht worden wäre,
dann wäre die Hisbollah nur mehr ein lokales libanesisches
Phänomen, ohne Einfluss auf unsere Situation.
WENIGER ALS drei Monate nach der Bildung der
Olmert-Peretz-Regierung ist es ihr gelungen, Israel in einen
Zwei-Frontenkrieg zu ziehen, dessen Ziele unrealistisch und
dessen Folgen nicht abzusehen sind.
Wenn Olmert hofft, als „Mister Macho-Macho“, als Sharon
II., angesehen zu werden, dann wird er enttäuscht werden.
Dasselbe gilt für den verzweifelten Versuch von Peretz, als
imponierender „Mister Sicherheit“ ernst genommen zu werden.
Jeder hat begriffen, dass diese Operationen – im
Gazastreifen genau so wie die im Libanon – längst von der
Armee geplant und diktiert worden waren. Der Mann, der jetzt
in Israel die Entscheidungen fällt, ist Dan Halutz. Nicht
zufällig wurde der „Job“ im Libanon der Luftwaffe zugeteilt.
Die israelische Öffentlichkeit ist vom Krieg gar nicht
begeistert. Sie hat sich mit stoischem Fatalismus damit
abgefunden, weil man ihr erzählt hat, es gebe keine
Alternative: und, in der Tat, wer könnte gegen ihn sein? Wer
möchte nicht, dass die „entführten Soldaten“ befreit werden?
Wer möchte nicht, dass die Katjuschas entfernt werden und
die Abschreckung wieder funktioniert? Kein Politiker wagt
es, die Operation in Frage zu stellen, (auss
er den arabischen
Knessetmitgliedern, die von der jüdischen Öffentlichkeit
ignoriert werden). In den Medien herrschen die Generäle -
und nicht nur die in Uniform. Es gibt fast keinen früheren
General, der nicht von den Medien eingeladen wird, um zu
kommentieren, zu erklären und zu rechtfertigen – und alle
sprechen mit einer Stimme.
(Als kleine Illustration: Israels bedeutendster
Fernsehsender lud mich zu einem Interview über den Krieg
ein, nachdem bekannt geworden war, dass ich an einer
Anti-Kriegs-Demonstration teilgenommen hatte. Ich war
ziemlich überrascht. Aber nicht lange – eine Stunde vor der
Sendung, rief ein sich entschuldigender Talkshowmaster an
und sagte, es hätte sich ein schrecklicher Fehler
eingeschlichen – in Wirklichkeit wollte man Professor Shlomo
Avinery, den früheren Generaldirektor des Aussenministeriums
einladen. Auf ihn kann man zählen, wenn es Daarum geht, eine
Handlung der Regierung mit abgehobener akademischer Sprache
zu rechtfertigen – ganz gleich, um welche es sich handelt.)
„Inter arma silent musae“ - „wenn die Waffen sprechen,
schweigen die Musen“ heisst ein altes Sprichwort. Hier passt
eher: Wenn die Kanonen donnern, hört das Gehirn auf zu
arbeiten.
NUR NOCH ein kleiner Gedanke: Als der Staat Israel in der
Mitte eines grausamen Krieges gegründet wurde, waren die
Wände mit Plakaten zugepflastert, auf denen folgendes zu
lesen war: „Das ganze Land – eine Front, das ganze Volk –
eine Armee!“
Seitdem sind 58 Jahre vergangen, doch der Slogan ist noch
genau so gültig wie damals. Was sagt das über die
Generationen von Staatsmännern und Generälen aus?
3 Responses to “Uri Avnery über die jüngste
israelische Aggression im Nahen Osten - „Das eigentliche Ziel“
(16.07.06)”
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PA : July 16th, 2006 at 20:20
Avnery macht einen entscheidenden Fehler: Er projeziert seinen eigenen individuellen Rationalismus auf die Beweggründe des jüdischen Terrorismus und vergisst dabei, dass Kriege niemals rational gesteuerte Ereignisse sind. Wenn man die Handlungsantriebe der Menschen in 3 Kategorien unterteilt, nämlich rationale, ethische und emotionale Beweggründe, dann trifft auf den Krieg der Juden gegen Nichtjuden sicherlich der letztere - nämlich die aggressive Komponente der emotionalen Ebene zu. Bekanntlich haben die Juden keine ethische Tradition - ihre sittlich Tradition ist im Wesentlichen destruktiv gegen Nichtjuden ausgerichtet, man lese nur einmal den Talmud. Bleibt nur noch die rationale Ebene: Auf dieser handeln Juden, wenn es um ihren Geldvorteil geht.
So gesehen bin ich pessimistisch, was eine baldige Beendigung des neuerlichen Ausbruchs des jüdischen Blutrausches betrifft: Wir sollten uns leider auf ein nie gesehenes Blutbad einstellen, denn “Israel” lechzt geradezu danach, sein gewaltiges Waffenpotential gegen die wenigen verbliebenen selbständigen Nationen einzusetzen.
Thomas Brehl : July 16th, 2006 at 21:33
Hervorragende Analyse aus berufenem Munde, der kaum etwas hinzuzufügen ist. Mit der Einschränkung vielleicht, dass im Zusammenhang mit einer zu installierenden Marionetten-Regierung im Libanon nicht von einem “Quisling-Diktator” gesprochen werden sollte.
Bei allen Fehlern, die Vidkun Quisling vielleicht gemacht hat, diente er dennoch stets den Interessen seines eigenen Landes, auch und gerade als er mit der Reichsregierung zusammenarbeitete. Israel will aber ausschliess lich Kollaborateure, die nur israelischen und vielleicht noch us-amerikanischen Interessen dienen und niemals ihrem eigenen Heimatland, sei es der Libanon oder ein anderer durch die israelische Aggression bedrohter Staat.
Verschwörer : July 19th, 2006 at 20:55
Störti-Fan Broder macht wieder liebvolle Komplimente
Zitat Broder:
http://www.achgut.de/dadgd/view_article.php?aid=2786&ref=8
Was Henryk nur hat? Warum sollten wir Uri schlechter behandeln als ihn. schliess lich kam er ja bei uns auch oft genug zu Wort. Möglicherweise hat er bei der Desinfektion zuviel Sagrotan geschluckt, dass er jetzt so austeilt. auss erdem kommt Uri schon ziemlich lange bei uns zu Wort, wie es in der Regel (fast) jeder anständige Mensch tut, wenn wir mit ihm in dem einen oder anderen Punkt übereinstimmen. Was gut ist gehört eben allen.
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